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Der grüne Marx

Umweltschutz bei Marx

Montag 22. Oktober 2007, von mond

Was den Umweltschutz betrifft haben KommunistInnen oft nicht gerade den besten Ruf. Wenn wir an die Umweltsünden die im so geannten „Realsozialismus“ von denen begangen wurden die sich dort den Kommunismus auf ihre Fahnen geschrieben haben ist dieser schlechte Ruf verständlich. Andererseits hatte kaum etwas damals dort so gelaufen ist viel mit Kommunismus zu tun. Hätten die Leute dort Marx wirklich gelesen und nicht nur als Säulenheiligen aufgestellt so hätte die Sache wohl etwas anders ausgesehen. Denn Marx und Engels können durchaus als die ersten „Grünen“ gesehen werden. Wenn wir heute die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch
den neoliberalen Kapitalismus betrachten so wird andererseits auch klar, dass „Grün“ heute nicht mehr ohne eine fundamentale Kritik dieses Kapitalistischen Systems denkbar ist. Sind wir KommunistInnen also die besseren Grünen?

Zurück zu Marx. Was möglicherweise eine der Ursachen für die
Umweltzerstörungen im so genannten „Realsozialismus“ war ist ein falsch verstandenes Wertgesetz. Marx definiert den Wert eines Produktes als die darin enthaltene Arbeitszeit. Edle Metalle erhalten also ihren hohen Wert dadurch, dass zu ihrer Gewinnung sehr viel Arbeitszeit aufgewendet werden muss. Betrachtet man also nur das Wertgesetz verschwinden Ökologische Aspekte aus dem Blickfeld. Wieviel Umwelt zerstört wird, wieviele natürliche Resourcen unwiederbringlich verbraucht werden kommt in der gleichung, zumindest wenn sie trivialisiert betrachtet wird, nicht mehr vor. So eine Trivialisierung ist allerdings nur möglich wenn jeman nicht einmal den ersten Band des Kapitals gelesen hat. So heisst es dort z.B.:

„Wie in der städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größre Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst. Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt in Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. Je mehr ein Land, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika z.B., von der großen Industrie als dem Hintergrund seiner Entwicklung ausgeht, desto rascher dieser Zerstörungsprozeß. Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“

— Das Kapital - MEW23, S.529

Geschrieben 1867, 95 Jahre bevor "Silent Spring" erschien und also etwa ein Jahrhundert bevor es so etwas wie eine Ökobewegung gab.

Auch von Engels kennen wir ähnlich lautenden Aussagen:

„Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. Die Leute, die in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die Wälder ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, daß sie damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten, indem sie ihnen mit den Wäldern die Ansammlungszentren und Behälter der Feuchtigkeit entzogen. Die Italiener der Alpen, als sie die am Nordabhang des Gebirgs so sorgsam gehegten Tannenwälder am Südabhang vernutzten, ahnten nicht, daß sie damit der Sennwirtschaft auf ihrem Gebiet die Wurzel abgruben; sie ahnten noch weniger, daß sie dadurch ihren Bergquellen für den größten Teil des Jahrs das Wasser entzogen, damit diese zur Regenzeit um so wütendere Flutströme über die Ebene ergießen könnten. Die Verbreiter der Kartoffel in Europa wußten nicht, daß sie mit den mehligen Knollen zugleich die Skrofelkrankheit verbreiteten. Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht - sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.“

— Friedrich Engels - Dialektik der Natur, MEW20 S.453

Oft wird Marx "Fortschritsgläubigkeit" vorgeworfen. Richtig ist, dass Marx klar war, dass es kein zurück in die "gute alte Zeit" gibt und dass diese Zeit auch alles andere als "gut" war. Marx übt durchaus heftige Kritik an der Industrie. Der Schwerpunkt dieser Kritik liegt dabei zwar auf den kapitalistischen Verhältnissen, aber Marx ist sich durchaus auch über die, dieser Produktionsweise inherenten Probleme bewusst. D.h Probleme die auch durch Änderung der Gesellschaftlichen Verhältnisse nicht so leicht weg zu bekommen sind.

„In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine. Dort geht von ihm die Bewegung des Arbeitsmittels aus, dessen Bewegung er hier zu folgen hat. In der Manufaktur bilden die Arbeiter Glieder eines lebendigen Mechanismus. In der Fabrik existiert ein toter Mechanismus unabhängig von ihnen, und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt.

Der trübselige Schlendrian einer endlosen Arbeitsqual, worin derselbe mechanische Prozeß immer wieder durchgemacht wird, gleicht der Arbeit des Sisyphus; die Last der Arbeit, gleich dem Felsen, fällt immer wieder auf den abgematteten Arbeiter zurück.

Während die Maschinenarbeit das Nervensystem aufs äußerste angreift, unterdrückt sie das vielseitige Spiel der Muskeln und konfisziert alle freie körperliche und geistige Tätigkeit. Selbst die Erleichterung der Arbeit wird zum Mittel der Tortur, indem die Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit vom Inhalt. Aller kapitalistischen Produktion, soweit sie nicht nur Arbeitsprozeß, sondern zugleich Verwertungsprozeß des Kapitals, ist es gemeinsam, daß nicht der Arbeiter die Arbeitsbedingung, sondern umgekehrt die Arbeitsbedingung den Arbeiter anwendet, aber erst mit der Maschinerie erhält diese Verkehrung technisch handgreifliche Wirklichkeit. Durch seine Verwandlung in einen Automaten tritt das Arbeitsmittel während des Arbeitsprozesses selbst dem Arbeiter als Kapital gegenüber, als tote Arbeit, welche die lebendige Arbeitskraft beherrscht und aussaugt. Die Scheidung der geistigen Potenzen des Produktionsprozesses von der Handarbeit und die Verwandlung derselben in Mächte des Kapitals über die Arbeit vollendet sich, wie bereits früher angedeutet, in der auf Grundlage der Maschinerie aufgebauten großen Industrie. Das Detailgeschick des individuellen, entleerten Maschinenarbeiters verschwindet als ein winzig Nebending vor der Wissenschaft, den ungeheuren Naturkräften und der gesellschaftlichen Massenarbeit, die im Maschinensystem verkörpert sind und mit ihm die Macht des "Meisters" (master) bilden.“

— Das Kapital - MEW23, S.445

Generell ist die Kritik von Marx an den sozialen Verhältnissen nicht von einer ökologischen Kritik zu trennten. Denn Marx sieht den Menschen als Teil der Natur und die Natur als Teil des Menschen.

„Die Natur ist der unorganische Leib des Menschen, nämlich die Natur, soweit sie nicht selbst menschlicher Körper ist. Der Mensch lebt von der Natur, heißt: Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozess bleiben muss, um nicht zu sterben. Dass das physische und geistige Leben des Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat keinen anderen Sinn, als dass die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Teil der Natur.“
(Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW 40, S.516)

Zentral im Denken von Marx ist der Begriff der "Entfremdung". Die
kapitalistische Produktionsweise entfremdet ihn immer weiter von seinen Existenzgrundlagen. Dazu z.B. in den Ökonmisch-Philosophischen Manuskripten:

„Betrachten wir nun näher die Vergegenständlichung, die Produktion des Arbeiters und in ihr die Entfremdung, den Verlust des Gegenstandes, seines Produkts.

Der Arbeiter kann nichts schaffen ohne die Natur, ohne die sinnliche
Außenwelt. Sie ist der Stoff, an welchem sich seine Arbeit verwirklicht, in welchem sie tätig ist, aus welchem und mittelst welchem sie produziert.

Wie aber die Natur die Lebensmittel der Arbeit darbietet, in dem Sinn, daß die Arbeit nicht leben kann ohne Gegenstände, an denen sie ausgeübt wird, so bietet sie andrerseits auch die Lebensmittel in dem engern Sinn dar, nämlich die Mittel der physischen Subsistenz des Arbeiters selbst.

Je mehr also der Arbeiter die Außenwelt, die sinnliche Natur, durch seine Arbeit sich aneignet, um so mehr entzieht er sich Lebensmittel nach der doppelten Seite bin, erstens, daß immer mehr die sinnliche Außenwelt aufhört, ein seiner Arbeit angehöriger Gegenstand, ein Lebensmittel seiner Arbeit zu sein; zweitens, daß sie immer mehr aufhört, Lebensmittel im unmittelbaren Sinn, Mittel für die physische Subsistenz des Arbeiters zu sein.

Nach dieser doppelten Seite bin wird der Arbeiter also ein Knecht seines Gegenstandes, erstens, daß er einen Gegenstand der Arbeit, d.h., daß er Arbeit erhält, und zweitens, daß er Subsistenzmittel erhält. Erstens also, daß er als Arbeiter, und zweitens, daß er als physisches Subjekt existieren kann. Die Spitze dieser Knechtschaft ist, daß er nur mehr als Arbeiter sich als physisches Subjekt erhalten kann und nur mehr als physisches Subjekt Arbeiter ist.“

— Karl Marx, MEW40, S.512

Zusammenfassung: Wir sehen also: Marx war durchaus schon "grün". 150 Jahre später und vor dem Hintergrund drohender globaler ökologischer Katastrophen sind wir KommunistInnen dazu aufgerufen auf diesen Analysen aufzubauen. Denn die Grünbewegung der 70er und 80er wurde schon lange an die naturzerstörerische neoliberale Ideologie verkauft.

Franz Schaefer (mond). (Juli 2006)

P.S.

Update: Siehe auch Marxismus und Ökologie


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