Analyse des Wahlergebnisses der KPÖ+ / geschrieben vor der Wahl
Üblicherweise werden Wahlanalysen immer nach der Wahl geschrieben und man muss sich dann vorwerfen lassen: Nachher ist es leicht.
Darum hier eine Analyse zum Wahlergebnis der KPÖ+. Geschrieben vor der Wahl.
Dass wir nicht über die 4% Hürde kommen würden war relativ klar. Das Ziel der Wahl war daher nicht die Maximierung der Stimmen sondern:
- verbreitern der Basis, neue AktivistInnen gewinnen.
- den Wahlkampf nutzen um linke Positionen kommunizieren, die neoliberale und rechtsextreme Hegemonie zu schwächen und Menschen zum Hinterfragen des Systems anregen.
Oder zumindest hätten das die Ziele sein sollen. Wenn wir uns den Wahlkampf ansehen ist das aber zu bezweifeln.
Aber zuerst mal einmal zum Ergebnis an der Wahlurne: Bei den letzten Nationalratswahlen 2013 hatte die KPÖ (nach einem ebenfalls nicht gerade guten Wahlkampf) gerade mal 1.01% (1.7% in Wien). Gerade hoch genug für die einmalige Parteienförderung mit der die Kosten des Wahlkampfes in etwa gedeckt werden können.
Deutlich besser war unser Abschneiden bei den EU-Wahlen als Europa-Anders (3.95% in Wien, 2.14% österreichweit).
Dass die KPÖ beschlossen hat, nicht mehr auf ein breiteres Wahlbündnis zu setzen, sondern mit KPÖ+ wieder einen Schritt zurück zu gehen ist nicht gerade gut zur Verbreiterung der AktivistInnenbasis.
Bis jetzt hatte die KP-Steiermark Nationalratswahlen üblicherweise boykottiert. Diesmal haben sie ein wenig Wahlkampf gemacht. Daneben sind auch noch die "Jungen Grünen" und einige zurecht enttäuschte AufbrecherInnen hinzugekommen. Insgesamt sollte hier also eine Verbesserung des Ergebnisses seit 2013 zu Erwarten sein. Ich würde auf etwa 1.5% Österreichweit tippen.
Zur allgemeinen Lage: Einerseits haben wir mit GILT, Pilz zusätzliche Parteien die das Potential an ProtestwählerInnen anzapfen. Andererseits ist die Allgemeine Unzufriedenheit mit den Großparteien nach diesem Wahlkampf wohl auf einem Rekordhoch, so dass vermutlich insgesamt deutlich Mehr Proteststimmen abgegeben werden. Insbesondere unzufriedene SolzialdemokratInnen hätten wir relativ gut ansprechen können. Angesichts unseres schlechten Wahlkampfes ist das aber nur in sehr bescheidenem Ausmaße geglückt. Insgesamt wird wohl etwa 1.5% der Stimmen herausschauen.
Möglich gewesen wäre hier deutlich mehr. Wobei das ja, wie eingangs Erwähnt ohnehin nicht der Punkt war. Wir hätten den Wahlkampf nutzen können um unsere 2 Zeile zu erreichen. Anstatt dessen wurden offensichtlich versucht mit populistischen Forderungen auf Stimmenmaximierung zu gehen. Was nicht nur dazu geführt hat dass die 2 wichtigen Wahlkampfziele nicht erreicht wurden sondern auch nicht den gewünschten Effekt erzielt hat.
Was ist alles schief gelaufen? Was hat funktioniert?
Den allermeisten WählerInnen war klar: Die KPÖ+ hat wenig Chance auf einen Einzug. Eine Stimme für die KPÖ+ hat daher immer nur Signalwirkung: Ein Zeichen setzen. Aber das funktioniert nur wenn die Partei auch dafür steht wofür ein Zeichen gesetzt werden soll. Eine klare Positionierung jenseits der eingefahrenen Wegen die von den anderen Parteien bestritten werden. Das wurde weder in der Werbelinie gemacht noch im Programm.
Das Programm war ein relativ biederes links-sozialdemokratisches Programm. Aber: Man gewinnt keine frustrierten SozialdemokratInnen in dem man ihnen das selbe vorsetzt was auch in den eigenen Programmen steht. Es hätte hier einer deutlich fundamentaleren Systemkritik bedurft. Der Slogan "Wir holen sie uns zurück" war gut, das Programm aber leider eher defensiv in der Verteidigung der Vergangenheit gefangen.
Innovative neue Ansätze wie Grundeinkommen, wurden erst nach massiven drängen vieler AktivistInnen aufgenommen, im Wahlkampf aber weitgehend totgeschwiegen. Anstatt "Wohnen ist ein Menschenrecht" oder "Wohnen darf keine Ware sein" wurde der sehr schwache "Wohnen darf nicht Arm machen" Slogan gewählt. So in der Art von: "aber bitte, bitte es darf nicht viel schlimmer werden als es schon ist". Von grundsätzlicher Systemkritik keine Spur.
Als Schwerpunkte für den Wahlkampf wurde "Demokratie, Wohnen, Arbeit & Soziales" gewählt. Obwohl dies von vielen AktivistInnen gefordert wurde, war Anti-Rassismus und Migration kein Schwerpunktthema und wurde auch in den Wahlkampfmaterialien und Plakaten nicht behandelt!
Hier hätten wir, neben den Grünen, ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal gehabt. Viele AktivistInnen in und im Umfeld der KPÖ machten gute Anti-Rassistische Arbeit. Gerade die zunehmende Hetzte gegen MigrantInnen macht vielen Menschen Sorgen. Dass dieses Thema ausgelassen wurde ist sicherlich der allergrößte Fehler dieser Kampagne. Hier wäre es möglich gewesen beide Wahlkampfziele (Punkt 1 und 2 siehe oben) zu erreichen. Die Hetzte zu kontern und den Politischen Diskurs im Lande etwas zu verschieben. Dann hätten wir immerhin sagen können: Unser Wahlkampf war nicht umsonst.
Zum Thema Demokratie ist der KPÖ+ auch nicht viel eingefallen: PolitikerInnengehälter beschränken ist eine populäre Forderung aber im großen und ganzen keine besonders wichtige. Bringt 0.00irgendwas vom BIP an Ersparnissen. Ja man könnte sagen: Dann sind die nicht mehr so "abgehoben" und wissen einwenig mehr wie es uns geht. Aber: Im Vergleich zu den exorbitant Gehältern in der "Wirtschaft" die an jene gezahlt werden, die dort die Interessen der Herrschenden vertreten sind die PolitikerInnengehälter ohnehin niedrig: Viele PolitikerInnen erhoffen sich ohnehin von ihrer politischen Tätigkeit nur spätere besser bezahlte Jobs in der Industrie. Mit einer Senkung wird das Problem möglicherweise noch verschärft. Aber ja, da gibt es Vor- und Nachteile. Viel schlimmer ist die zweite Forderung:
Parteienförderung halbieren. In den USA sind alle Parteien total auf Spenden angewiesen. Die Auswirkungen kann man gut sehen. Alle progressiven PolitikerInnen wünschen sich ein System von öffentlich finanzierten Wahlen und Parteien um den direkten Einfluss von Banken und Konzernen zurückzudrängen. Aber, nur weil es bei den KronenzeitungsleserInnen populär ist stellen wir hier eine völlig falsche Forderung auf!. Diese art von Populismus ist unverzeihlich. So etwas ist dem Ziel 1 (siehe oben) diametral entgegen Gesetzt. Anstatt echte Probleme Aufzuzeigen, diskreditieren wir die wenigen Sachen die halbwegs gut funktionieren.
“Rechtsextreme und menschenfeindliche Orientierungen gehen mit Zweifeln an Demokratie und negativen Haltungen gegenüber der EU einher.” -- Friedrich-Ebert-Stiftung
Ja, viele der etablierten politischen Parteien tragen durch ihr Verhalten selbst dazu bei diese Zweifel zu schüren. Aber ist es wirklich Aufgabe der Linken hier noch Öl ins Feuer zu gießen? Die Stereotypen gegen PolitikerInnen noch zu verschärfen? Wenn wir tatsächlich den Kapitalismus abschaffen wollen, dann müssen viele der Entscheidungen die heute vom Markt getroffen werden durch Demokratische Institutionen erfolgen. D.h. Wir brauchen noch viel, viel mehr Demokratie und das wird nicht ohne Aufwand an Zeit und Geld gehen. Wer die Institution der Demokratie mit billigen Wahlkampfslogans diskreditiert kann es auch mit der Überwindung des Kapitalismus nicht wirklich ernst meinen.
Wir haben also einerseits die Tatsache, dass die KP+ den Antirassimsus nicht als Schwerpunkt wollte, offensichtlich um bei den Krone-LeserInne nicht anzuecken, anderseits aber kein Problem damit hat falsche Forderungen aufzustellen um bei rechten WählerInnen zu punkten. Beides widerspricht diametral den beiden Wahlkampfzielen. Wie viel Prozente die KP+ damit auch immer machte: Als erfolgreich kann dieser Wahlkampf nicht bezeichnet werden.
Immer wieder wurde betont: Die Stimme für die KP ist keine verlorene Stimme weil wir ja die einzigen sind die das System kritisieren. Zumindest im Wahlprogramm hat sich von dieser Kritik aber wenig niedergeschlagen. Immer wieder wurde betont: Nicht das kleinere Übel zu wählen. Eine Gruppe die bewusst falsche Forderungen aufstellt ist aber auch ein mehr oder weniger "kleines" Übel. Und niemand wählt das "kleinere Übel" um ein Zeichen zu setzen.
Die Plakate sind diesmal ausgesprochen "schön" geworden. Leider das einzig positive, dass man Über sie sagen Konnte. Und die Frage ist auch faserschmeichelweiche, "schöne" Wohlfühlplakate das richtige Mittel sind um unsere Systemkritik auszudrücken.
Die Plakate waren weitgehend inhaltsleer. "Über Gott und die Welt reden" sagte "Wir haben keine Inhalte". "Über Arbeit reden" könnte jede andere Partei auch plakatieren. Und dann halt noch der defensive "Wohnen darf nicht Arm machen" und dann noch die schon besprochene Diskreditierung von PolitikerInnen. Ebenso inhaltsleer die zentralen Wahlfolder. Extrem Schade um die viele Zeit und Energie die hier von zahlreichenden AktivistInnen investiert wurde um diese zu verteilen.
"100% sozial" - so ein Slogan riecht förmlich nach Marketing. Hätte es eine andere Partei plakatiert wäre es auch nicht besonders aufgefallen. Aber immerhin hatten wir auch "0% rassistisch": da müsste ich mich doch freuen. Endlich kommt auch der Anti-rassismus vor. Aber: Rassistische Einstellungen tragen wir alle in uns. Da sind Vorurteile und Stereotypen die uns von den Nazi-Großeltern noch eingeimpft wurden und die noch immer sehr verbreitet sind. Wer "0% rassistisch" schreibt ignoriert das. In uns allen und auch in der KPÖ gibt es Rassismus. Wer meint wir sind in diesem Bereich schon perfekt ignoriert die viele Arbeit die es hier noch zu tun gibt.
Ein weiteres Problem im Wahlkampf war sicherlich auch das Auftreten des Spitzenkandidaten. Mirko Messner kann noch immer nicht in erklären warum man heutzutage KommunistIn sein sollte. Angesichts der vielfältigen und gravierenden Widersprüche im kapitalistischen System die für immer mehr Menschen sichtbar werden, sollte das nur eine relativ leichte Fingerübung sein. Aber er schafft es einfach nicht. So richtig gut hat das auch Flora nicht geschafft - aber immerhin besser und immerhin ist sie nicht seit über 10 Jahren Parteivorsitzende einer kommunistischen Partei.
Die Wahlkabine
War sicherlich eines der erfolgreichsten Werbeinstrumente für die KPÖ. Grundsätzlich schneiden wir dort relativ gut ab. Hier hatten wir wohl einiges an Glück bei den Fragen. (Bei Neuwal.com hat es nicht so gut ausgesehen - da wurden einige Antworten ziemlich verpatzt). Was wir von dort lernen können: Grundsätzlich ist es gut starke und deutliche Positionen zu haben. Das wäre auch die notwendigte Strategie für den gesamten Wahlkampf gewesen: z.B.: Anstatt unsere gute position beim Grundeinkommen zu verschweigen hätten wir sie herausstreichen sollen, etc, etc.
Worauf sind die Fehler im Wahlkampf zurückzuführen.
a.) Auf der einen Seite gibt es in der Bundes-KPÖ diejenigen die in etwa folgender Logik denken: "Normale" Parteien gewinnen bei den Wahlen. Die KPÖ muss daher am besten aussehen wie eine "normale" Partei. Nach dieser Logik muss das Auftreten, die Programatik und die Slogans möglichst dem entsprechen was auch die anderen machen. Leider ist das genau kontraproduktiv. Wer "normale" Parteien will hat ja ohnehin schon ein breites Angebot. Es geht eigentlich darum sich zu unterscheiden. Den Wahnsinn der heute "normal" ist anzuprangern und aufzuzeigen: Frech, radikal und ungeschminkt.
b.) Weiters gibt es in der KPÖ Menschen die sich die Steiermark ein wenig zu sehr zum Vorbild nehmen. In Graz ist die KP-Stmk relativ erfolgreich, zumindest was die Stimmen betrifft. Das hatte verschiedene Ursachen. Beim Thema Wohnen wurde gute Politik gemacht. Ansonsten ist die Ausrichtung der Grazer nicht besonders weit links, bis hin zu Nationalismus und Rassismus. Und wenn man lange genug solche Politik macht bekommt man natürlich auch Mitglieder die kein Problem mit solchen Positionen haben. Murgg ist dort immer noch einer von den drei Parteivorsitzenden. Im Sommer 2015 machte er sich für die Errichtung von Grenzzäunen gegen Flüchtlinge stark. Dass die KPÖ+ bei diesem Wahlkampf keinen Anti-rassistischen Schwerpunkt hatte und stat dessen auf populistische Agitation gegen Demokratische Einrichtungen setzte ist wohl direkt, oder indirekt dem Einfluss der SteierInnen geschuldet.
Die Jungen Grünen haben, soweit erkennbar, nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Situation beigetragen.
Insgesamt sollte wohl auch ein Auge auf die Entscheidungsfindungsmechanismen / A.k.a Parteiinterne Demokratie gelegt werden. Warum haben die nicht funktioniert?
Was tun?
Die Nationalratswahl 2017 ist soweit einmal Vergossene Milch. Nicht nur wurden die Ziele nicht erreicht: Es wurde zum Teil aktiv dagegen gearbeitet.
Es gibt in der KPÖ und im Umfeld von Wien-ANDAS und auch bei den Jungen Grünen noch immer sehr viele AktivistInnen die sich tatsächliche Kapitalismuskritik wünschen und die mit dem Wahlkampf daher entsprechend unzufrieden waren. Zu hoffen ist dass es nun eine entsprechend kritische Aufarbeitung der Fehler dieses Wahlkampfes gibt und daraus tatsächlich Konsequenzen gezogen werden.
Daneben gibt es noch die Teile des Aufbruchs die sich nicht einfach mit dem Scheitern dieses ambitionierten Projektes zufrieden geben wollen und die weiterhin das Ziel einer breiten, unabhängigen Linken verfolgen.
Die nächsten wichtigen Wahlen sind die EU Wahlen im Mai 2019 (eventuell als DiEM) und die Wiener Gemeinderatswahlen 2020. Es wäre wohl sinnvoll sich schon jetzt darauf vorzubereiten.
Franz Schäfer, 13. Oktober 2017. (veröffentlicht am 15. Oktober)