Etwa 250 Menschen drängten sich zur Eröffnung des ersten Grundeinkommenskongress in den Saal der Diplomatische Akademie in Wien. Bereits dort wurde deutlich was den gesamten Kongress durchzog: Die Haltung zum Grundeinkommen scheint einerseits gegensätzliche politische Lager zu vereinen und andererseits innerhalb bestehender Gruppierungen für Differenzen zu sorgen. Andreas Exner und Brigitte Kratzwald betonten aber ihre Freude, dass der von attac.at getragene Kongress trotz dieser Meinungsverschiedenheiten stattfinden konnte, auch wenn daraus etwas Verstimmtheit über die Tatsache zu hören war, dass die Forderung nach Grundeinkommen noch keine offizielle Attac Forderung ist.
Grundeinkommen: Von Schande Befreit
Grundeinkommen ist eine Forderung die von progressiven Linken wie auch von manchen Neoliberalen erhoben wird. Den Unterschied in den beiden Blicken auf das Grundeinkommen herauszuarbeiten war somit eines der Aufgaben dieses Kongresses. Bestehen bleibt jedenfalls die Tatsache: Wer Grundeinkommen fordert verlangt nach Geld mit dem in der Marktwirtschaft dann eingekauft werden kann. Auf den ersten Blick haben wir damit also keine Forderung die der Marktwirtschaftlichen Logik unmittelbar entgegensteht. Verbunden mit der Erfahrung, wie es in den 70ern dem Neoliberalismus gelungen ist mit Phrasen von "sozialer-" und "ökosolzialer"-Marktwirtschaft den Menschen Sand in die Augen zu steuern und die Brutalität des Kapitalismus nur zu schön zureden, wird klar warum manche AltkeynesianistInnen ihre Bedenken bei dieser Forderung haben.
Warum ist die Forderung nach Grundeinkommen dennoch so attraktiv? Wie muss ein Grundeinkommen aus linker Sicht gestaltet sein? Diese Fragen gilt es zu klären.
Die zunehmende Automatisierung, die immense Steigerung der Produktivkräfte macht heute eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung nicht mehr möglich. Grundeinkommen ist ein Mittel um dennoch allen eine Teilhabe an diesem Reichtum zu ermöglichen. Die Entkopplung von Arbeit und Einkommen ist Notwendig. Eine Teilhabe am Gesellschaftlichen Reichtum ohne mit einem "Notstands" oder "Sozialgeld" abgespeist zu werden sondern zu wissen: Ich bin Mensch also habe ich ein Anrecht auf ein Einkommen. Einfach so. Entlohnt werden "für's Mensch sein". Das setzt voraus, dass das Grundeinkommen nicht an eine Bedarfsprüfung geknüpft ist, ansonsten bekommt das es sofort wieder das Stigma des Almosens für Bedürftige. "Von Schande Befreit" nannte es Erich Kitzmüller beim Workshop über "Grundeinkommen und alternative Ökonomien". Kitzmüller sieht im Grundeinkommen eine Möglichkeit alternative Ökomomien zu begünstigen. Haben die Menschen erst einmal eine, durch das Grundeinkommen gesicherte, Existenz, so sind Experimente mit alternativen Lebens- und Wirtschaftsweisen möglich. Dass alternative Produktionsweisen nicht nur funktionieren sondern auch besser und effizienter sein können als die kapitalistische Variante zeigt das Beispiel Freier Software wie Linux ebenso wie die freie Enzyklopädie Wikipedia. "In Freiheit tätig sein" war damit auch das Motto der Veranstaltung. Freiheit vom Verwertungszwang.
Eben weil mit einem existenzsichernden, unbedingten Grundeinkommen diese Freiräume geschaffen werden ist die Forderung eine die über das kapitalistische System hinaus weisen kann. Die Höhe dieses Grundeinkommens ist dabei durchaus eine relevante Größe. Ebenso darf das Grundeinkommen nicht an irgendwelche Auflagen zum "Gesellschaftlichen Wohlverhalten" geknüpft werden ansonsten würde es zum Steuerungsinstrument degradiert.
Wenn wir uns die Stellungnahmen der verschiedenen Parteien zum Grundeinkommen ansehen entsteht der Eindruck "alle sind dafür" und es müsste kurz vor der Verwirklichung stehen. Ob dies aber letztlich eine kleine "soziale Abfederungsmassnahme" in einer Welt der totalen Präkarisierung oder eine echte Existenzsicherung mit der Möglichkeit Frei Tätig zu sein, wird wohl unseren Kämpfen abhängen.
Sieht man/frau sich die Stellungnahmen der einzelnen Parteien zum Grundeinkommen an so ist schnell Klar, dass die Konzepte mit dem Gedanken des Grundeinkommens, nicht viel zu tun haben. Zitat aus dem ORF Bericht. "Niemand will Lohn ohne Arbeit". Dort geht es genau eben darum: Lohn ohne den Zwang zur einer sinnlosen Arbeit.
Spannend ist auch die Frage eines globalen Grundeinkommens, die Philippe van Parijs (Professor für Philosophie, Louvain / Harvard) im Eröffnungsplenum thematisierte. Parijs reist als Advokat für ein globales Grundeinkommen durch die Welt. Aus Brasilien sind schon erste Erfolge zu berichten, auch wenn das Grundeinkommen dort noch nicht gänzlich bedingungslos vergeben wird. In Kolumbien ist es ein wichtiges Thema weil sich, wie oben schon erläutert, Grundeinkommen als Forderung gesehen wird mit der sich Links und Rechts in gewisser Weise anfreunden können. So zitierte Eduardo Suplicy (Senator der Brasilianischen Arbeiterpartei) bei der Abschluss-Matinée nicht nur Marx sondern auch aus der Bibel. Dass dann auch noch "Blowin' in the Wind" angestimmt wurde, war dann allerdings manchen doch etwas zu spirituell angehaucht.
Grundeinkommen also als Transportmittel für gesellschaftliche Veränderung Beladen wir es mit unseren Inhalten sonst wird es von anderen mit anderen Inhalten beladen.
Franz Schäfer, Oktober 2005