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Die Kriegstrommeln werden lauter

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass in den Medien mehr oder weniger unverhohlene Kriegspropaganda zu lesen ist. Kaum ein Tag vergeht, an dem uns nicht ein grünes Männchen im Flecktarn im TV die Welt erklärt. Überall werden plötzlich Drohnen gesichtet. Und dort, wo noch keine Drohnen gesichtet wurden, ist es „nur noch eine Frage der Zeit“ (Der Standard. 23.10.2025). Umgekehrt haben wir die Jubelartikel, die uns beschreiben, wie geschickt sich die Ukraine mit ihren selbstgebastelten Drohnen verteidigt.

Worüber weniger zu lesen ist: Die Toten und Verletzten, und die Mütter, deren Söhne nie wieder heimkehren werden. Da lässt man lieber eine „Expertin“ antreten, die uns erklärt, dass wir doch am besten der NATO beitreten sollten.

Der Krieg in der Ukraine dauert jetzt schon über drei Jahre, aber in letzter Zeit wurden die Kriegstrommeln noch einmal lauter.

Sich der Logik der Kriegspropaganda entgegenstellen

Sich der Logik der Kriegspropaganda entgegenstellen:

Kriegslogik: „Die Gerechtigkeit muss siegen“

Schon die alten Griechen wussten: „Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit.“ Was den Ukraine-Krieg angeht, ist es zumindest unumstritten, dass die Panzer von Putin losgeschickt wurden. Manchmal werden dafür diverse Rechtfertigungen gesucht: Wer hat welche Verträge gebrochen? Wer hat wen „provoziert“? Nichts davon rechtfertigt diesen imperialistischen Angriffskrieg. Für die meisten von uns ist es also recht klar: In einer idealen Welt würde Putin schon lange in Den Haag auf der Anklagebank sitzen.

Realistischerweise wird dieses Ergebnis dieses Krieges selbst im besten Falle nicht eintreten: Mit jedem Tag sterben dort mehr Menschen, damit wir uns moralisch auf der richtigen Seite stehend sehen dürfen. Dass wir ja für „die Richtigen“ die Daumen drücken, kostet 2000 km weiter östlich täglich Menschen das Leben.

Echte Solidarität mit den Menschen in der Ukraine würde bedeuten, dass wir uns für ein Ende des Krieges einsetzen. Auch wenn das ein Kompromiss ist und auch wenn es ein „fauler“ Kompromiss ist: Alles ist besser, als das Gemetzel fortzusetzen.

Kriegspropaganda: „Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns“

Wer sich gegen diesen Krieg stellt, muss damit rechnen, schnell als Agent Putins oder zumindest als dessen nützliche:r Idiot:in gebrandmarkt zu werden. Für differenzierte Sichtweisen ist da generell kein Platz. Es gibt nur noch Gut und Böse: absolut Gut und vor allem absolut Böse. Differenzierte Sichtweisen wären da und dort notwendig, um einen Ausweg aus dem Konflikt zu finden.

Was, wenn wir uns nicht auf eine Seite stellen wollen, sondern wenn wir uns auf die Seite der Menschen stellen? Ist der Schmerz einer Mutter, die ihren Sohn verloren hat, weniger wert, nur weil sie eine andere Sprache spricht oder nur weil sie in einem anderen Land lebt?

Was die Situation so schwierig macht, ist, dass diese Diffamierung nicht immer nur erfunden ist: Es gibt unter manchen selbsternannten „Anti-Imperialisten“ tatsächlich Kräfte, die nicht am Frieden interessiert sind, sondern die sich auf eine Seite schlagen und dort „den Sieg“ wollen. Es ist hier extrem wichtig, sich von diesen Kräften ganz klar abzugrenzen.

Kriegsursachen, Wachstumslogik und Imperialismus

Neben der Ablehnung der Kriegslogik braucht es natürlich auch immer eine Erklärung der echten Ursachen der Kriege.

Die Gewinne aus der Ausbeutung von Mensch und Natur müssen von den Kapitalist:innen wieder reinvestiert werden. Die Wachstumslogik ist zentraler Bestandteil des Kapitalismus. Um wachsen zu können, musste auch geografisch expandiert werden, und wir haben damit Kolonialismus und Imperialismus.

„Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“ schrieb Jean Jaurès im Jahre 1913.

Auch heute sind Einflusssphären, Absatzmärkte und Bodenschätze wichtig, aber der Kapitalismus hat den Krieg selbst als „Wachstumsmarkt“ entdeckt: Geografische Expansion hat immer ein Limit, aber das Geld, das in Rüstung und Krieg gesteckt wird, ist praktisch unlimitiert. In allen Bereichen versucht der Kapitalismus, das Wachstum über die Schaffung künstlicher Knappheit zu erhalten. Aber selbst mit der raffiniertesten Werbung kann man uns nur so viel Klumpert aufschwatzen. Rüstung ist aber unbeschränkt: Solange es politisch durchsetzbar ist, können beliebig mehr Waffen gekauft werden. Damit es politisch durchsetzbar ist, braucht es aber immer wieder Konflikte und Kriege.

Kriege selbst funktionieren gleich doppelt als Wachstumsmarkt: Einerseits die verbrauchten Waffen und die geschaffene politische Unsicherheit, die wieder als Rechtfertigung für mehr Waffen dient, und andererseits die zerbombten Städte, die anschließend wieder gewinnbringend aufgebaut werden können. In den Büros der Architekt:innen werden bereits detaillierte 3D-Modelle für den Wiederaufbau von Mariupol entworfen.

Putin hat diesen Krieg begonnen, aber auch die Oligarch:innen im Westen verdienen gut an diesem Krieg. Der Kurs der Rheinmetall-Aktie hat sich in den letzten drei Jahren verzwanzigfacht. Da muss sich niemand wundern, warum es so schwierig ist, Friedensverhandlungen zu führen.

„Once weapons were manufactured to fight wars. Now wars are manufactured to sell weapons“ — Arundhati Roy

Die Kosten des Krieges

All die Aktiengewinne kommen natürlich nicht aus dem Nichts. Letztlich bezahlen wir alle dafür mit unseren Steuergeldern und mit den Kürzungen der Sozialleistungen. Die Rüstungskonzerne sind fast alle in Privatbesitz, aber die Aufträge kommen von der öffentlichen Hand.

Auf die Kosten des Krieges hinzuweisen, kann die Begeisterung für den Krieg durchaus etwas dämpfen. Aber solange die Herrschenden es schaffen, den Krieg als „gerecht“ und „moralisch“ darzustellen, wirkt der Verweis auf die Kosten möglicherweise doch etwas kleinlich. „Wie kann man denn da aufs Geld schauen, wenn dort das Überleben wichtig ist? Müssen wir da nicht alle den Gürtel enger schnallen?“ – so oder so ähnlich läuft hier die „Logik“. Es ist daher extrem wichtig aufzuzeigen, dass es genau umgekehrt ist: Der Krieg und das Sterben werden solange weitergehen, solange wir bereit sind, dafür zu bezahlen!

Das Ganze hat dann noch eine weitere Dimension:

Mit den sozialen Kürzungen haben die Menschen weniger Geld, um sinnvolle Dinge des täglichen Lebens zu kaufen. Die oben beschriebene Wachstumslogik findet damit dann in der Produktion von Lebensmitteln und Konsumgütern noch weniger Wachstumspotenzial: Der Druck, das Wachstum mittels Rüstung und Krieg zu bekommen, steigt damit noch weiter.

Nationalismus

Ein wichtiger Bestandteil der Kriegslogik ist der Nationalismus. „Die Russen.“ „Die Ukrainer.“ „Wir“ und „Die.“ Problematisch wird dieser Nationalismus nicht erst dort, wo er mit Patriotismus und Hass aufgeladen wird: Wer die Konflikte hauptsächlich aus der Logik der Nationen heraus analysiert, verliert die Menschen aus dem Blickfeld. Der Konflikt ist einer zwischen Arm und Reich – zwischen den Soldaten auf beiden Seiten, die für die Profite auf beiden Seiten sterben.

Der Arbeiter hat kein Vaterland. Wir müssen uns wieder auf den Internationalismus fokussieren. Einen Internationalismus, der mehr ist als bloß Solidarität von einer Nation zur anderen: Ein Internationalismus, der diese Nationen in Frage stellt.

In der Tat steht das internationale Bekenntnis des Programms noch unendlich tief unter dem der Freihandelspartei. Auch sie behauptet, das Ergebnis ihres Strebens sei "die internationale Völkerverbrüderung". Sie tut aber auch etwas, um den Handel international zu machen, und begnügt sich keineswegs bei dem Bewußtsein - daß alle Völker bei sich zu Haus Handel treiben. -- Marx in der "Kritik des Gothaer Programms"

Siehe auch Internationalismus by Marx

Natürlich können wir die Nationalstaaten nicht einfach ignorieren. Sie existieren. Aber es ist eben wichtig, die Konflikte nicht nur aus dieser Perspektive heraus zu betrachten. Das Leben ist kein großes „Risiko“-Spiel.

Neutralität

In den wenigen neutralen Ländern wie Österreich spielt die Frage der Neutralität in der Friedensdiskussion immer eine zentrale Rolle. Die Argumentation sollte aber niemals nur auf die Neutralität aufbauen. Die Logik:

Weil wir neutral sind → deswegen müssen wir uns für Frieden einsetzen.

ist recht brüchig. Richtig muss es umgekehrt laufen:

Weil Frieden so wichtig und die Kriegslogik falsch ist → deswegen ist die Neutralität ein wichtiges Werkzeug.

Bei manchen wird die Kampagne für die Neutralität dann auch noch mit rot-weiß-roten Fähnchen verziert, und damit kommt man erst recht wieder in nationalistisches Fahrwasser.

Die Neutralität ist bei den Österreicher:innen sehr beliebt. Von den Parteien trauen sich nur die NEOS, diese offen in Frage zu stellen. Die anderen Parteien wollen sie nur „von innen aushöhlen“. Wer die Neutralität stärken will, muss ihre Wichtigkeit argumentativ begründen, indem die Kriegslogik widerlegt wird.

Patriarchale Strukturen

Militärische Strukturen sind die extremste Form patriarchaler Strukturen. Dass jetzt gefordert wird, dass wir jetzt wieder „kriegstüchtig“ werden, zeigt einerseits, wie tief verwurzelt die patriarchale Logik in unseren Gesellschaften und unserem Denken ist, und andererseits wird diese Logik damit weiter verstärkt.

Grundeinkommen

Wenn klar ist, dass der Krieg vor allem ein „Wachstumsmarkt“ ist, dann müssen wir darüber nachdenken, wie wir dem entgegenwirken. „Kapitalismus abschaffen“ ist eine einfache und richtige Antwort, aber es gibt einen sinnvollen Zwischenschritt: Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen würden deutlich weniger Menschen arbeiten. Damit ist das Wachstum schon mal zurückgeschraubt. Und wie oben beschrieben: Mit einem Grundeinkommen haben alle Menschen genug Geld, um sich das zu kaufen, was für ihr Leben wichtig ist. Das heißt, die Wachstumslogik wird zumindest weg von der Kriegsproduktion hin zur Produktion von sinnvollen Gütern geleitet.

Putin mit Hitler gleichsetzen?

Wenn sonst nichts hilft, um die Kriegspropaganda zu transportieren, muss die Gleichsetzung „Putin = Hitler“ herhalten. Es ist schwer, in den Kopf eines Menschen zu schauen: aber wenn Putin tatsächlich so irrational ist, dann müssten wir angesichts der Atomwaffen unsere Friedensbestrebungen noch deutlich intensivieren.

Die Logik der Kriegstreiber ist aber eine andere: Man argumentiert, dass auch die Nazis nur militärisch gestoppt werden konnten, und daraus soll dann gefolgert werden, dass wir ebenfalls militärisch aktiv sein müssen. Nur ist die Situation jedoch in vielerlei Hinsicht eine andere. Dass Putin trotz seiner autokratischen Macht an den innenpolitischen Problemen scheitert, ist nicht unwahrscheinlich. Der Ukrainekrieg war vermutlich genau dazu gedacht, um ihn innenpolitisch zu stärken. Das laute Kriegsgeschrei im Westen dient dann umso mehr zur Rechtfertigung. Nur wer sich der Kriegslogik verweigert, kann Putin auch tatsächlich glaubhaft als den Kriegstreiber anprangern, der er ist.

Atomkrieg

Ein Atomkrieg wird gemeinhin als „unwahrscheinlich“ angesehen. Aber jede kleine Erhöhung des Risikos der Vernichtung der Menschheit ist inakzeptabel. Dass dieses Risiko jetzt so einfach in Kauf genommen wird, zeigt einfach, wie wahnsinnig diese Welt schon ist. Wer noch Zweifel daran hat, wie „verantwortungsvoll“ die Herrschenden mit dieser Welt umgehen, soll sich ansehen, wie ernsthaft die Bestrebungen waren, die Klimakatastrophe zu vermeiden.

Friedensbewegung

Sich der Kriegslogik entgegenzustellen ist etwas, das wir alle machen können: Freunde, Familie, Arbeitskolleg:innen... aber wir brauchen mehr als individuelle Anstrengungen. Es braucht eine neue Friedensbewegung. Linke, Gewerkschaften und christlich motivierte Menschen müssen hier zusammenarbeiten. Setzen wir die entsprechenden Schritte..

Franz Schäfer (Mond), November 2025