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Haupt- und Nebenwiderspruch reloaded?

Montag 23. Oktober 2017, von mond

Die klassisch, dogmatische marxistische Analyse teilte die Vielfältigen Widersprüche des Kapitalismus in den Hauptwiderspruch (der Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital) und die Nebenwidersprüche.

Zu recht hat der marxistische Feminismus dies kritisiert. Die Unterdrückung der Frauen ist nicht bloß ein Nebenwiderspruch eben so wenig wie rassistische und andere komplexe Unterdrückungsformen. Insbesondere auch als sie nicht bloß Beiwerk, sondern integraler Bestandteil der Kapitalistischen Ausbeutungsmaschine sind.

Seit Gramsci sollte klar sein: Wer grundlegende Veränderungen der Gesellschaft will muss zuerst die bestehende Hegemonie auflösen.

Erschreckend ist, dass die Linke diese Erkenntnisse scheinbar wieder verlernt. Hier einige Beispiele:

“Nur 100% sozial wirkt gegen Hass & Hetze”

War ein Slogan im KPÖ+ Wahlkampf. Offensichtlich als "Entschuldigung" dafür gedacht, dass Anti-Rassismus und Migration nicht zu einem Schwerpunktthema im Wahlkampf gemacht wurden. Ja natürlich schlechte soziale Verhältnisse sind ein guter Nährboden auf dem Hass und Hetzte gut gedeihen. Keine Frage. Aber die Sache ist eben nicht so einfach. Vielfach finden sich Rassistische Vorurteile auch bei relativ gut situierten Personen. Und ganz offensichtlich war der Rassismus das zentrale Wahlmotiv für die Erfolge der rechtsextremen FP und VP. Und deren Programm ist in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Sozial. Insofern wäre der Slogan wohl besser umgedreht: “Nur 100% gegen Hass & Hetze wirkt sozial”. Beide Richtungen dieser Logik alleine sind verkürzt. Wahr ist, dass die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Widersprüchen komplex und vielschichtig sind. Rechte bedenklich finde ich im übrigen, wie sehr in der Linken darüber nachgedacht wird ob denn Migration zur Konkurrenz am Arbeitsmarkt beiträgt (Rechtsextrmes Framing) aber die Frage wie sehr die geschlossenen Grenzen genau diesem Zweck dienen nirgends behandelt wird. The economics behind closed borders

Umweltpolitik ist nicht wichtiger als Sozialpolitik und Sozialpolitik nicht wichtiger als Umweltpolitik. Der Klimwandel schafft soziale Katastrophen für Millionen oder Milliarden von Menschen während soziale Probleme den Klimaschutz noch erschweren.

Friedenspolitik ist nicht wichtiger als Sozialpolitik und Sozialpolitik ist nicht wichtiger als Friedenspolitik. “Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.” Umkehrt sind Krieg und Nationalismus die sicherste Methode die ArbeiterInnen gegen einander auszuspielen.

Es liesen sich noch viele ähnliche Beispiele anführen.

Ich denke wir brauchen wieder mehr Dialektik :-)

Eine starke Gegenbewegung zum neoliberalen Kapitalismus zu schaffen wird nur möglich sein, wenn wir die zahlreichen Widersprüche des Systems als gleichberechtigte Ausgangspunkte für eine grundlegende Analyse der Fehler dieses Systemes nehmen und auch als wichtige Hebelpunkte für dessen Veränderung sehen.

Besonders ungustiös war in diesem Zusammehang die Häme mancher "Linker" zu den Verlusten der Grünen. Umweltschutz und Anti-Rassismus sind zwei extrem wichtige Hebelpunkte. Ja, zugegeben, die Grünen hatten keine fundierte Kapitalismuskritik, aber: Wenn diese Kritik von Menschen kommt deren Programm auch nicht viel weiter geht als das was die Sozialdemokratie zu bieten hat, dann ist das ein wenig wie mit dem Glashaus und den Steinen.

Anyway: Wir werden vermutlich Schwarz-Blau/Braun bekommen. Hoffentlich wird das, die Linke wieder etwas näher bringen. Und hoffentlich wird auch der eine oder die andere ein wenig über die vielschichtigen Zusammenhänge der vielen kapitalistischen Widersprüche
nachdenken.

Franz Schäfer (Mond). 23. Oktober 2017.


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