Wie muss eine Organisation aussehen, damit sie attraktiv für AktivistInnen ist und deren "aktiv" sein nutzbar machen kann?
Die Bücherregale in der Sparte "Managmentliteratur" sind voll mit Werken zum Thema "MitarbeiterInnenmotivation". Das Problem hier ist ähnlich aber eigentlich genau umgekehrt: Die Motivation ("Die Welt verändern") ist da. Die Frage hier ist, wie die motivierten Menschen zur Mitarbeit gewonnen werden können.
Lange existierende Organisationen (haben inzwischen meist ein relativ hohes Budget und entsprechend auch bezahlte MitarbeiterInnen). Solche Organisationen können es sich leisten, dass politisch beschlossene Aktionen dann von bezahlten MitarbeiterInnen umgesetzt werden. Das ist insofern einfach, als mit bezahlten Mitarbeitern nicht diskutiert werden muss, ob und wie die Beschlüsse umgesetzt werden. Das geht mit freiwilligen AktivistInnen nicht (und sollte auch mit den bezahlten MitarbeiterInnen nicht so laufen).
Freiwillige AktivistInnen wollen ihre Kreativität, ihr Know-How einbringen können und sie müssen sehen wie ihre erbrachte Aktivität in Zusammenhang mit ihrer persönlichen politischen Einschätzung darüber, was zu tun ist, steht.
Idealerweise wird der Prozess also umkehrt: Statt "Politischer Beschluss => Aktivitäten zu dessen Umsetzung" stehen zuerst "Aktivitäten" die in einen "politischen Rahmen" passen müssen.
Es nützt nichts wenn ein Gremium den Beschluss fasst dass Aktivität X wichtig ist, wenn dann niemandem konkret X wichtig genug ist selbst daran intensiv mitzuarbeiten. Umgekehrt: Wenn eine kleine Gruppe von AktivistInnen findet, dass sie gerne etwas zum Thema Y machen will, dann muss das unkompliziert möglich sein ohne dass die Mehrheit das nieder stimmt. Außer, die Aktivität ist wirklich den Zielen der Organisation entgegen gesetzt:
Was eine erfolgreiche AktivistInnenorganistation vor allem braucht ist ein klarer politischer Rahmen: Was hat Platz in der Organisation und was nicht. Das muss für alle verständlich und klar sein. Damit muss niemand Angst haben, dass eine kleine Teilorganisation oder eine kleine Gruppe von AktivistInnen etwas tut was den Zielen der Organisation widerspricht. Daraus folgt, dass es für AktivistInnen, selbst in kleinen Gruppen, Aktivitäten zu setzen ohne große interne bürokratische Auflagen.
Bis zu einem gewissen Grad bedeutet das natürlich eine "Dikatatur der Aktiven". Denn es passiert nur das was die Aktiven tun. Menschen mit beschränktem Zeitbudget sind hier natürlich benachteiligt. Aber nicht gänzlich: Z.B.: Eine Idee für eine pointierte Aktion kostet nicht viel Zeit. Solange die Idee gut genug ist, dass sich andere AktivistInnen finden sie umzusetzen, wird das auch passieren. Und wenn einem eine gewisse Idee wichtig genug ist muss man/frau halt auch selbst etwas Zeit investieren.
Die Produktion Freier Software (z.B. Linux) ist ein gutes Beispiel für eine funktionierende Zusammenarbeit freiwilliger AktivstInnen. Oft finden sich Menschen die vorschlagen etwas anders zu machen. Die Antwort von Linux Torvalds (Ursprünglicher Entwickler des Linux Kernels und heute der Koordinator des Projekts) darauf ist meist "Show running code!" D.h. die Leute werden aufgefordert ihre Ideen zumindest soweit selbst umzusetzen, damit ersichtlich wird ob diese funktionieren.
Hier noch einmal die 4 Faktoren die für politische Aktivitäten meist notwendig sind:
1. Praktisches und theoretisches Verständnis dafür, was heute schief läuft.
2. Humor und Kreativität um das entsprechend auszudrücken.
3. Technisches Know-How und Skills um das entsprechend umzusetzen.
4. Manchmal auch entsprechende zeitliche und/oder finanzielle Möglichkeiten.
Für die ersten 3 Punkte ist es vor allem wichtig, wenn die AktivistInnen entsprechend vernetzt sind. Regelmäßige treffen in kleinen Gruppen, überregionale Treffen und online Foren und ein Wiki.
Was die Skills betrifft: hier könnte z.b. in einer Wiki Seite eine Auflistung von Menschen existieren die bestimmte Skills (z.b. Siebdruck, IT-Know How, ... ) anbieten.
Die Weiterentwicklung eines gemeinsamen Theoretischen Verständnis ist natürlich besonders wichtig. Angesichts der Tatsache dass hier Menschen sind die bereits aktiv sein wollen, kann man davon ausgehen, dass diese Menschen schon bestimmte Einsichten in die Probleme der Welt haben. D.h. viele AktivistInnen werden der Meinung sein, dass sie schon "alles nötige Wissen". Umgekehrt denken andere AktivistInnen die Menschen kennen lernen, die die selben Probleme identifiziert haben sehr schnell, dass damit auch die selbe analytische Tiefe verbunden ist und man/frau merkt dann erst sehr spät, dass die Menschen zwar das selbe Problem identifiziert haben, aber dass z.b. die Lösungsansätze ganz andere sind, etc.
Insofern ist wohl gemeinsame theoretische Arbeit nicht zu unterschätzen und sollte immer auf der Tagesordnung stehen. Auch wenn man/frau am Ende des Tages nicht alle Analysen teilt, so ist es zumindest wichtig die Unterschiede und Differenzen zu kennen.
Was den vierten Punkt betrifft: Zentrale Ressourcen sind natürlich immer
begrenzt. D.h. Hier bedarf es einer entsprechenden Koordination. Als AktivistInnenfreundliche Organisation müssen zentrale Ressourcen vor allem den AktivistInnen zur Verfügung stehen. Die Organisation muss sich als "Servicestelle" für AktivistInnen sehen. Natürlich können nicht einzelne AktivistInnen das gesamte Budget für Druckmaterialien verbrauchen. Man könnte dieses aber z.B. proportional dazu vergeben, wie viele AktivistInnen sich für deren Verteilung melden.
Zusätzlich könnte z.b. auch jede lokal/regional Gruppen ein kleines Budget haben, damit ein niederschwelliger Einstieg möglich ist.
Regelmäßige treffen in kleiner (idealerweise 5 bis 10 AktivistInnen) sind wohl das wichtigst Kommunikationsmittel. Mailinglisten auf denen aktuelle Information ausgetauscht werden können sind auch extrem wichtig. Einerseits zur Koordination der lokalen Treffen, aber auch um Überregionale Listen (z.b. nach Themen getrennt).
Zu viele verschiedene Kommunikationskanäle sind aber letztlich kontraproduktiv. Insofern ist fraglich ob ein zusätzliches Forum zu den Mailinglisten wirklich sinnvoll ist. Nützlich ist aber unter Umständen eine gemeinsame Umgebung zur Arbeit: Entweder ein Wiki oder zumindest ein gemeinsamer Platz für Files. Wobei ein Wiki deutlich zu bevorzugen ist, da dort Dinge übersichtlich und plattformunabhängig Dokumentiert werden können. Natürlich wäre auch ein SVN oder git denkbar, aber das würde die meisten AktivistInnen, trotz der Verfügbarkeit grafischer Clients, vermutlich überfordern. Generell ist das hier der Trade-off: Leistungsfähige Tools für Online-Kooperation sind einerseits gut für die Zusammenarbeit der AktivistInnen, sind aber damit auch komplexer und damit wieder eine Hürde für andere AktivistInnen.
Ein Wiki wäre hier eine relativ optimaler Kompromiss: viel Funktionalität die mit einem einzigen, relativ einfachen Tool abgedeckt werden. Ein Artikel in einem Wiki kann genutzt werden, um zu
- Dokumentieren
- Diskussionsbeiträge zu sammeln
- zu Brainstormen
- Als Schwarzes Brett
- Files zu einem Projekt zu verlinken.
- kleinere Abstimmungen
- Linksammlung zu Themen.
und vieles mehr. Alles mit der selben Technik: Auf "Edit" klicken und eine Textseite verändern. Was von den AktivistInnen gelernt werden muss ist damit weniger die Technik als das Verständnis dafür, dass diese Dinge sich gut über ein Wiki erledigen lassen.
Welche Tools auch immer verwendet werden: es ist jedenfalls sinnvoll, nicht zu viele Verschiedene zu haben. Es versteht sich von selbst, dass dabei natürlich Freie Software (FLOSS) zu bevorzugen ist. Wichtig ist dann, die AktivistInnen gut auf die verwendeten Tools Einzuschulen.
Aussenkommunikation
Ist das um und auf jeder politischen Organisation. Damit auch diese Arbeit gut unter den AktivistInnen aufgeteilt werden kann bedarf es hier ebenfalls leicht bedienbarer aber flexibler Tools. Wobei ein großer Teil der Kommunikation ohnehin "social media" ist.
Dieser Artikel ist Teil der vierteiligen Serie Organisiert euch! Aber Wie?
Franz Schäfer, Oktober 2018