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Die 4 Säulen linker Klimapolitik

Donnerstag 20. Februar 2020, von mond

Wie soll linke Klimapolitik aussehen? Was im Grunde recht einfach sein sollte sorgt an manchen Stellen doch für einiges an Verwirrung. Hier der Versuch etwas Klarheit in die Situation zu bringen:

1. Prämisse: Der Klimawandel ist real und die Wissenschaft hat recht.

97% der WissenschafterInnen sind sich einig: Der Klimawandel ist real und ist von uns Menschen verursacht. Von den 3% SkeptikerInnen sind sehr viele von der Erdöl und Kohleindustrie "gesponsert". Dass in der Linken die bürgerliche Wissenschaft durchwegs auch mit Skepsis betrachtet wird ist verständlich. Aber Naturwissenschaften sind i.a. doch eine andere Qualität und die KlimaforscherInnen sind aus allen Ländern mit sehr vielen verschiedenen politischen Ausrichtungen.

Aus meiner Sicht das beste Argument gegen KlimaleugnerInnen sind die Prognosen der Wissenschaft aus den 1970er, 80er und 90er Jahren die mit den heute gemessenen Werten relativ gut übereinstimmen.

Was manchen Menschen scheinbar Schwierigkeiten bereitet sind die Wahrscheinlichkeiten. In allen Modellen und Prognosen müssen bestimmte Annahmen getroffen werden und diese sind mit gewissen Wahrscheinlichkeiten Versehen. Darum haben auch die resultierenden Prognosen nur gewisse Wahrscheinlichkeiten. So besteht z.B. eine ca. 60% Wahrscheinlichkeit dass wir, wenn wir, wenn wir maximal etwa 400Gt (Giga-Tonnen) CO2 Äquivalente ausstoßen, unterhalb von 1.5°C bleiben. Das bedeutet aber auch dass es mit 40% Wahrscheinlichkeit schlimmer werden wird und z.b. mit 10% deutlich schlimmer und mit 1% sehr deutlich schlimmer.

An vielen Stellen gibt es auch so genannte Tipping-Points, wo Prozesse ausgelöst werden die dann nicht mehr so leicht umkehrbar sind und die den Klimawandel weiter beschleunigen. Z.B. Veränderungen in den Meeresströmungen oder z.B. das Auftauen der Permafrost-Böden das Methan freisetzt. Methan ist ein Treibhausgas, das etwa 21 mal so stark wirkt wie CO2. Gerade die Tipping-Points machen die Prognosen nochmals schwieriger.

Von manchen KlimaleugnerInnen kommt auch oft die Frage: Warum gerade jetzt? Die Antwort ist wohl einfach: Wir sind jetzt in einem Bereich wo die Erwärmung für Alle sichtbar und spürbar wird. Die 3 heißesten Sommer waren in den letzten 4 Jahren.

2. Prämisse: Die Schäden des Klimawandels sind um Größenordnungen teurer als fast alles was wir jetzt tun können.

Eine 3.7°C Erwärmung würde 500 Billionen Euro kosten - mehr als der gesamte heute existierende Wert. 2 Grad würden 60 Billionen kosten. Hinter den Zahlen verbirgt sich natürlich sehr menschliches Leid und Sturmkatastrophen, Waldbrände, Überflutungen, Ernteausfälle und Hungersnöte, Artensterben, ... 1° Erwärmung bedeuten etwa 100 Millionen Menschen auf der Flucht.

3. Prämisse: Die Folgen des Klimawandels treffen vor allem die Ärmsten.

Das ist keine besonders gewagte These: Die Reichen können sich immer noch Nahrung leisten, auch wenn sie deutlich teurer wird. Die Reichen kaufen sich halt wo anders ein Haus und können es leichter Sturmfest bauen, etc.

Was folgt aus diesen 3 Prämissen:

Wir müssen alles tun was wir können! Wir müssen für die radikalsten Maßnahmen kämpfen. Natürlich sind wir dafür, dass die Reichen dafür bezahlen. Aber angesichts der obigen Prämissen: Das teuerste wäre es gar nichts zu tun. Selbst wenn Maßnahmen gesetzt werden die nicht sozial ausgewogen sind sind diese noch besser als gar nichts. Es ist in etwa so wie wenn wir vor der Wahl stehen würden: Jetzt 2000 Euro bezahlen oder in den nächsten 30 Jahren 20 000 Euro. Was natürlich nicht bedeutet dass wir nicht mit aller Kraft gegen unsoziale Politik kämpfen - immerhin sind wir die Einzigen die das tun. Aber am Ende des Tages ist eben extrem wichtig alles gegen den Klimawandel zu tun was möglich ist.

Fazit: Wir brauchen eine radikale Klimapolitik! Es ist nicht die Frage: “Welche Maßnahme ist die Beste?” - sondern wir brauchen Alle!

Hier noch ein paar Grundlagen:

Wir dürfen weltweit noch etwa 400 Gt CO2-Äquivalente ausstoßen um mit etwa 60% Wahrscheinlichkeit die 1.5°C nicht zu überschreiten.

Der weltweite Ausstoß beträgt etwa 40 Gt/Jahr. D.h. beim gegenwärtigen Ausstoß haben wir noch etwa 10 Jahre und müssten dann auf Null sein.

Das Verbrennen von einem Liter Benzin (etwa 0.75 Kg) verursacht etwa 2.3 Kg CO2.

Im Folgenden will ich die 4 Bereiche an Maßnahmen auflisten und wie wir sie einschätzen sollten:

1.) CO2 Steuer, bzw alle Maßnahme die innerhalb des kapitalistischen Systems angesiedelt sind.

Manche Linke sind gegen die CO2-Steuer, eben weil sie innerhalb des Systems bleibt. Aber natürlich brauchen wir CO2 Steuern. Wichtig ist, dass die Steuer hoch genug ist damit sie auch einen entsprechenden Lenkungseffekt bringt. Ansonsten wäre es nur eine Art Ablasshandel mit dem sich die Menschen ihr gutes Gewissen erkaufen. Deutschland startet jetzt mit etwa 10 Euro/Tonne. In Schweden hat man jetzt etwa 110 Euro/Tonne. Um tatsächlich etwas zu bewirken bräuchten wir aber etwa 500 bis 1000 Euro/Tonne. 100 Euro/Tonne sind lt. obiger Rechnung erst etwa 0.23 Euro/Liter Benzin.

Ist es besser, also CO2 sparender, Bananen bei uns im Glashaus anzubauen oder zu importieren? Solche und viele andere solcher Rechnungen müssen angestellt werden. Mit einer hohen CO2 Steuer kümmert sich der marktwirtschaftliche Optimierungsmechanismus um diese Problem und das kann der Kapitalismus eigentlich recht gut. Hätten wir eine sozialistische oder kommunistische Wirtschaft müsste das was heute ein/e BuchhalterIn rechnet eben von jemanden anderem gerechnet werden.

Klar ist, dass eine CO2 Steuer alleine zu wenig ist, aber auf keinen Fall sollten wir sie deswegen ablehnen. Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen darf nicht auch noch gratis sein.

Was soll mit der CO2 Steuer passieren? Idealerweise würde sie wieder sozial an die Menschen zurückgegeben. Z.B. als Basisfinanzierung eines Grundeinkommens. 400 Gt mal 1000 Euro dividiert durch 8 Milliarden Menschen wäre etwa 50 000 Euro ErdenbügerIn.

Indem die Einnahmen wieder an die Menschen ausbezahlt werden spielt auch die durch die CO2 Steuer bewirkte Teuerung keine Rolle.

2.) Green New Deal.

Unter "Green New Deal" (GND) ordnen wir hier alle Maßnahmen ein die zwar kompatibel mit dem Kapitalismus sind aber eher von Sozialdemokratischer/
Keynesianistisch sind. Der Staat nimmt viel Geld in die Hand und damit große, grüne Projekte zu finanzieren: Ausbau erneuerbarer Energien, Bahnausbau, etc.

Von rechts wird der GND oft scharf kritisiert weil das ganze nach "Sozialismus" riecht. Und natürlich geht das etwas in dies Richtung. Mitte-Links Parteien lieben den GND weil sie ihn als "Arbeitspläte Schaffen" verkaufen können. Hier sollte auch unsere Kritik ansetzen: Das Grundproblem ist eben nicht, dass wir zu wenig Arbeitsplätze haben. Das Problem ist dass wir inzwischen schon viel zu viele Bullshit-Jobs haben, die alle auch einen entsprechenden ökologischen Fußabdruck haben.

Wenn wir den GND auch kritisieren, weil er die Hoffnung nährt, dass der Kapitalismus damit "gerettet" werden kann und weil er den fatalen Arbeits-Fetisch und Wachstumslogik befördert: Natürlich sind wir dafür. Alles was möglich ist muss getan werden!

3.) Bedingungsloses Grundeinkommen als Maßnahme gegen den Klimwandel.

Ich schätze etwas mehr als die Hälfte aller bezahlten Jobs sind entweder unnötig oder schädlich. Z.B. Werbung: Einziges Produkt ist unsere Unzufriedenheit - damit wir noch mehr Klumpert kaufen das wir nicht brauchen. Und dann noch Rüstung, Glücksspiel, Finanz"produkte", so genanntes "geistiges Eigentum" und die geplante Obsoleszenz vieler Produkte.

Selbst ein reiner Bürojob hat schon einen enormen ökologischen Fußabdruck.
Mit viel Freizeit besteht auch die Möglichkeit eines deutlich resourcen-schonenderen Lebensstils. Warum nicht mal mit dem Fahrrad ans Meer fahren? Damit können wir auch auf die Freizeitindustrie verzichten. Warum nicht die Paradeiser selber anbauen und daneben etwas Freie Software entwickeln?

Das Grundeinkommen ist damit auch eine gute Vorbereitung für den 4. Maßnahmen Bereich:

4.) System Change not Climate Change - Die Überwindung vom Kapitalismus

Letztlich war es der Kapitalismus mit seiner fatalen Wachstumslogik der die Probleme verursacht hat. Und die Wachstumslogik, ist ein elementarer Bestandteil dieses Systems. Daher muss dieses System überwunden werden.

Was ist nun besser? 1, 2, 3 oder 4?

Alle der 4 Bereiche sind wichtig. Nicht bloß weil wir möglichst schnell und möglichst viel Bewirken wollen. Der Hauptgrund warum wir alle 4 Bereiche brauchen ist, dass jeder der Maßnahmen ein anderes Potential an Emissionseinsparungen nutzt. Die vielen kleinen Optimierungen im System sind relativ unabhängig von den großen Ausgaben im GND und die wiederum relativ unabhängig von der Vermeidung der Bullshit-Jobs. Und am Ende steht immer noch die Wachstumslogik die mit dem kapitalistischen System untrennbar verbunden ist die wir uns nicht länger leisten können.

Politisch gesehen:

All die vielen Widersprüche des Kapitalismus sind immer auch Faktoren die zur Politisierung der Menschen beitragen. Punkte an denen viele erkennen "So wie bisher kann es nicht mehr weiter gehen". Insofern müssen wir auch den Menschen die jetzt auf Grund des Klimawandels erkennen, dass ein Systemwechsel notwendig ist eine Andockstelle bieten.

Greta dürften wir wohl auf unsere Seite haben: “Die grünen Parteien sind auch nicht gut. [..] Keine Partei ist auch nur annähernd dran an dem, was eigentlich getan werden müsste.”

Die Ökobilanz des Realsozialismus schaut nicht wirklich gut aus, aber wenn wir uns ansehen was Marx zur diesen Fragen geschrieben hat wird klar, dass Marxismus immer schon "grün" war. Lange bevor es eine Ökobewegung gab:

Wie in der städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größre Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst.

Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein
Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den
Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für
eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt in Ruin der dauernden
Quellen dieser Fruchtbarkeit.

Je mehr ein Land, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika z.B., von
der großen Industrie als dem Hintergrund seiner Entwicklung ausgeht, desto
rascher dieser Zerstörungsprozeß.

Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und
Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich
die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.

— Karl Marx, Das Kapital - MEW23, S.529

Franz Schäfer (Mond), Dezember 2019

Siehe auch:


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