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Marx und die Roboter - Rezension

Sonntag 26. Juli 2020, von mond

Ich hab mir vor kurzem das Buchg Marx und die Roboter gekauft und war einigermaßen enttäuscht. Die Sammlung 18 Texten von 20 AutorInnen verspricht eine an Marx orienteirte Analyse der neuen technischen Entwicklungen rund um KI und Digitalisierung. Und es gibt durchaus einige interessante Aspekte und passende Marx Zitate dazu aber der Grundtenor ist doch recht einseitig und einige Zentrale Aspekte kommen viel zu kurz.

Der Tenor des Buches: Alles nicht so schlimm. Alles schon einmal dagewesen. Kennen wir schon aus den 70zigern. Und natürlich ist es gut und wichtig an historische Erfahrungen anzuknüpfen und draus zu lernen. In dieser Hinsicht ist es ein brauchbares Buch, aber draus zu folgern, dass das alles schon bekannt und nichts neues ist, ist falsch und auch gefährlich. Wenn wir uns in falscher Sicherheit wiegen und auf die kommenden Veränderungen nicht gut vorbereiten dann schlitten wir vielleicht doch in eine sehr dystopische Zukunft.

Wie auch im Buch öfter zitiert: Wenn die Automatisierung immer mehr Voranschreitet dann wird immer weniger Arbeit notwendig.

In dem Maße aber, wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder — deren powerful effectiveness — selbst wieder in keinem Verhältnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie, oder der Anwendung dieser Wissenschaft auf die Produktion. — Marx in: MEW42, S.600.

Marx verfolgt an anderer Stelle das ganze noch und rechnet mit einem Faktor 1000 an Produktivität. Wird die benötigte Arbeitszeit irgendwann Null dann haben wir einen Faktor ∞. Und wir nähern uns gerade mit riesen Schritten dieser Situation, auch wenn im Buch behauptet wird es wäre noch eine sehr lange Zeit bis generelle KI möglich wäre und dass das was wir jetzt haben alles nur "sehr kleine" Schritte sind.

Was bedeutet das für die Welt und was für die marxistische Analyse?

Die marxistische Kritik am Kapitalismus geht im großen und ganzen davon aus, dass die menschliche Arbeit das einzig Wertschöpfende ist. Wenn Marx z.b. argumentiert dass der Wert von Gold und anderen Mineralien genau der ist, der an Arbeitskraft zu deren Abbau notwendig ist. Aber Marx weiß dass es nicht der einzige Faktor ist. In einer Fußnote (MEW23, S.529) im Kapital nennt Marx auch die Erde eine der beiden „Springquellen allen Reichtums“.

Was Marx nicht offen ausgesprochen hat aber was daraus ganz einfach Folgt: Je weniger wichtig die lebendige Arbeit wird, desto wichtiger wird wohl der zweite Faktor. Rohstoffe, Energie, Land und vor allem auch Schadstoffemmisionen werden zum wichtigsten Faktor. Sprich: wir brauchen einen radikalen Ökokommunismus.

Es sollte auch die Frage aufgeworfen werden ob wir ein System, dass dann nicht mehr auf der Ausbeutung von lebendiger Arbeit beruht überhaupt noch Kapitalismus nennen sollten. Zumindest das, was wir MarxistInnen darunter verstehen ist es nicht mehr. Ein System dessen Macht auf der Kontrolle über Land und Resourcen ruht hat eher feudalitische Züge.

In einer Diskussion zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen meinte jemand: Er wäre dagegen weil dann die Menschen nicht einmal mehr die theoretische Möglichkeit hätten zu streiken. Das was der gute Mensch übersah ist, dass eben dieser Verlust an Streikmöglichkeit nicht vom Grundeinkommen verursacht wird sondern von der Tatsache dass die Arbeitskraft eben nicht mehr gebraucht wird.

Oder anders formuliert: Alles was wir an sozialen Standards noch erkämpfen können und wollen sollten wir relativ rasch erkämpfen: Solange wir da und dort noch gebraucht werden. Gerade aus diesem Grund ist der "eh alles nicht so schlimm" Tenor des Buches so ärgerlich.

Da ich ja auch gewerkschaftlich aktiv bin kenne ich auch die Position der Sozialdemokratie zu diesen Fragen sehr gut. Auch dort ist man/frau auf Abwerhaltung: "Alles nicht so schlimm. Alles Hype. Mit ein kleinwenig Arbeitszeitverkürzung schaffen wir das schon". Der Grund für die Realitätsverweigerungt ist hier wenigstens klar: Sie wollen sich nicht eingestehen dass ihr Weg, der schon lange keine klare Opposition zum Kapitalismus beinhaltet jetzt gescheitert ist und sie bestehen daher darauf weiter machen zu können wie bisher. — Ich denke das war sicher nicht in der Intention der meisten AutorInnen in diesem Buch.

Eine weitere große Auslassung in dem Buch ist es, darauf einzugehen was der Kapitalismus mit der Produktivitätssteigerung macht - und in den letzten Jahrzehnten gemacht hat. Wie schon im Manifest zu lesen ist, hat der Kapitalismus ein Problem mit Überproduktion:

In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen. - Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.

Karl Marx/Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei

Was wir jetzt sehen ist, dass der Kaptialismus es schafft die Vernichtung von Produktivkräften zu Institutionalisieren. Es wird immer mehr unnötiges, kurzlebiges und schädliches Zeugs produzier oder Sachen die im Überfluss vorhanden sind werden künstlich verknappt: Waffen, Krieg, Werbung, Finanz"produkte", künstliche Obsoleszent, so gennnate "Geistige Eigentumsrechte", etc...

Je weiter die Produktivität gesteigert wird, desto mehr werden wir davon wohl sehen. Dass Waffen und Krieg ein Bereich sind in dem sich die Nachfrage sehr leicht steigern lässt, zusammen mit dem Faktor dass wir Menschen für die Produktion ohnehin immer weniger wichtig werden, sollte uns extrem beunruhigen. Auch davon ist in diesem Buch nicht wirklich viel zu lesen.

Was tun?

Angesichts der Tatsache, dass die Probleme die auf uns zukommen in dem Buch eher banalisiert werden, ist es auch nicht verwunderlich, dass die Frage: Was denn jetzt zu tun sei nicht wirklich gestellt, geschweige denn beantwortet wird. Im Letzten Beitrag wird immerhin angeregt, die Möglichkeiten von Big-Data könnte für demokratischere Steuerung der Wirtschaft genutzt werden. Das ist wohl richtig aber deutlich zu wenig.

Ein wichtiger Faktor und zentraler Faktor ist meines Erachtens der Kampf gegen so genannte "Geistige Eigentumsrechte". Das wird zwar im Buch an einigen Stellen erwähnt aber hätte sich doch eher ein eigenes Kapitel verdient. Der Kampf um die Kontrolle über den Code der unser aller Leben regiert sollte doch sehr zentral sein.

Es wäre auch gut gewesen wenn das buch den Möglichkeiten, die frei werdende Zeit, insbesondere unter den Bedinungegen eines Grundeinkommens, für den Aufbau von alternativen Wirtschaftssystemen zu nutzen, etwas Raum gegeben hätte. Autor*innen hätten sich leicht auf https://keimform.de/ gefunden.

Fazit

Ein Buch dass durchaus interessante Aspekte enthält aber das in wichtigen Punkten schwere Lücken aufweist und daher nicht wirklich geeignet ist um es EinsteigerInnen zu empfehlen, damit sich diese einen Überblick über das Thema zu verschaffenn

Franz Schäfer (Mond), Juli 2020.


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