qummunismus / kommunismus reloaded
Home > Kommunismus > Wahlanalyse - Warum es die KPÖ nicht in den Nationalrat geschafft (...)

Wahlanalyse - Warum es die KPÖ nicht in den Nationalrat geschafft hat

Monday 30 September 2024, by mond

Nachdem uns die Umfragen bei etwa 4% eingestuft habe, hätten gehofft, dass wir diesmal den Einzug in den Nationalrat schaffen. Geworden sind es leider nur etwa 2.4%. In den Städten waren wir halbwegs gut unterwegs:

  • Wien 3.8% (in den inneren Bezirken eher um die 5%)
  • Graz 6%
  • Linz 4%
  • Salzburg 6.2%
  • Innsbruck 3.8%
  • Bregenz 2%

Interessant hier ist, dass die KPÖ-Graz vor 3 Jahren bei den Gemeinderatswahlen fast 29% erzielte und in der Stadt Salzburg bei den Kommunalwahlen 23% erreicht wurden. Offensichtlich lassen sich die Menschen vom K in unserem Parteinamen nicht abschrecken. Warum haben uns viele dennoch nicht gewählt? Liegt es daran, dass man uns zwar Kommunalpolitik zutraut aber keine "große Politik"? Oder wurden in diesem Wahlkampf doch zu viele Fehler gemacht? Ich denke es ist wohl eine Mischung aus beiden, aber, aus meiner Sicht, wurden doch sehr einige grobe Fehler gemacht. Bevor ich auf die Fehler eingehe wäre noch zu klären:

Was wäre ein Wahlerfolg?

  • Der Erfolg an der Wahlurne. Wie viele Stimmen schaffen wir?
  • Schaffen wir es mit dem Wahlkampf neue Aktivist:innen zu gewinnen?
  • Können wir den Wahlkampf nutzen um den politischen Diskurs zu verschieben. Schaffen wir es, dass Menschen den Status-Quo in Frage stellen? Können wir Menschen zum Nachdenken anregen?

Angesichts der Prognosen, die uns einen möglichen Einzug ins Parlament in Aussicht gestellt haben, ist es klar dass wir uns wohl auf den ersten Punkt konzentriert haben. Was aber nicht bedeutet, dass wir die anderen Punkte ignorieren dürfen: Insbesondere weil dies sich ja nicht gegenseitig ausschließen, sondern oft verstärken. Ein kluger Wahlkampfslogan der Menschen zum Nachdenken anregt und es schafft bestehende Ideologien in Frage zu stellen motiviert auch Aktivist:innen und bringt uns auch bei den Menschen ins Gespräch.

Ein kantiger Wahlkampfslogan wird von den Medien eher aufgegriffen und die Diskussionen, die damit auf den Stammtischen und in den Kaffeküchen zwischen Menschen entstehen, sind 100 mal mehr Wert als jeder Hochglanzflyer.

Die kantigen Positionierungen haben gefehlt

Bei den EU-Wahlen hatten wir immerhin noch den "Wohnen statt Kanonen" Slogan. Die klare Friedenspolitische Positionierung war ein Alleinstellungsmerkmal. Das hat uns nicht unbedingt nur Freunde beschert - aber war immerhin für viele Menschen eine Motivation uns zu wählen.

Im Nationalratswahlkampf haben die kantigen Positionierungen fast völlig gefehlt. Mit dieser "nirgends anecken" Strategie war dann aber für viele Menschen auch nicht mehr erkennbar warum man/frau uns die Stimme geben sollte. Dass wir für "Wohnen" stehen ist inzwischen allgemein bekannt - aber offensichtlich wird dieses Thema eher mit Kommunalpolitik assoziiert.

Eng verknüpft mit dem Fehlen von kantigen Positionierung ist:

Fehlende Systemkritik

Von einer Partei mit dem K im Namen würde man doch etwas Kapitalismuskritik erwarten. Die war aber ebenfalls nicht wirklich erkennbar. Bei der TV-Pressestunde wurde erst vom Journalisten ein wenig darauf hingewiesen dass der Kapitalismus seine Probleme hat. Immerhin hat unser Kandidat dann doch noch die Kurve gekratzt und es für "richtig" gehalten.

Vielen Menschen ist heute klar, "dass es so nicht weitergehen kann". Sie verstehen, dass "das System" nicht funktioniert. Aber sehr oft können die Menschen dann nicht sehen woran genau es liegt und was die Alternativen sein könnten. Diese diffuse Unzufriedenheit wird dann von den rechten Hetzern aufgegriffen und in die falsche Richtung gelenkt. Einfache, aber falsche, Antworten auf komplexe Probleme. "Die Ausländer sind schuld".

Es wäre unsere Aufgabe die Kritik am System richtig zu formulieren und mit den richten Antworten darauf zu reagieren. Die Aufgabe ist nicht immer leicht aber, da es sonst niemand macht, müssen wir es machen. Damit hätten wir aber wieder ein Alleinstellungsmerkmal.

KPÖ Kandidat:innen verpflichten sich den größten Teil ihres Gehalts für soziale Zwecke zu spenden. Damit signalisieren wir: Wir sind nicht korrupt. Wir machen das nicht wegen des Geldes sondern weil uns die Politik wichtig ist. Darüber hinaus wird damit gewährleistet, dass unsere Mandatar:innen nicht abgehoben von den Problemen der Menschen leben. Das alles ist gut und wichtig. Aber es ersetzt eben nicht die Systemkritik: Ein System das anfällig für Korruption ist, wird auch nicht besser wenn wir Menschen hinein setzen die nicht korrupt sind so wie eine Diktatur nicht besser wird wenn wir einen wohltätigen Diktator fordern.

Vielfach habe ich den Eindruck, dass es manchen Genoss:innen schon reicht das K im Namen zu haben und ihnen das schon genug "Kritik" ist.

Viele Menschen politisieren sich dadurch, dass sie die massiven Probleme des Kapitalismus wahrnehmen. Klimakatastrophe, Kriege, Hunger und Armut, erstarken von rechten Hetzern und das Aushöhlen der Demokratien, Bullshit-Jobs, etc.. und nirgends gibt es ernsthafte Anstrengungen Lösungen zu finden. Aus braucht eine Kraft die diese Problem ernst nimmt und sie miteinander in Beziehung setzt.

Ein Lackmustest für Wahlkampfslogans: Könnte der selbe Slogan, ohne dass es besonders auffallen würde, auch von einer anderen Partei plakatiert werden? Könnte er ohne aufzufallen sogar von einer rechten Partei affichiert werden?

Klima war kaum Thema

Die Klimakatastrophe ist "das Größte Marktversagen der Geschichte" wie Zizek und andere es genannt haben. Eigentlich hätte es eines der vier Schwerpunktthemen des Wahlkampfes sein sollen. Aber es kaum leider kaum vor. Wenn ich bei mir vor die Tür gegangen bin hatte ich da einen Dreiecksständer der KPÖ. Auf drei von drei Seiten lächelte mir Tobias Schweiger mit dem Wohnen Thema entgegen. Klima-Plakat gab es gar keines. Hätten wir einen kantigen Slogan zur Klimakatastrophe gehabt dann hätten wir uns, spätestens nach dem Hochwasser, nicht mehr um den Einzug ins Parlament sorgen müssen.

Nicht nur hatten wir, entgegen dem was uns auf der Parteikonferenz im Herbst vermittelt wurde, keinen Klimaschwerpunkt sondern das was im Wahlprogramm zu diesem Thema zu finden war, war auch eher oberflächlich. In der "Wahlkabine" wurde dann auch noch gegen eine CO2 Steuer argumentiert!! Solche groben Fehler dürfen einfach nicht passieren!

Die KPÖ muss eine Öko-Kommunistische Partei werden! Wer die Klimakatastrophe ernst nimmt muss sich das bestehende, der kapitalistischen Wachstumslogik untergeordnete, Wirtschaftssystem in Frage stellen. Das können die anderen Parteien nicht leisten. Dafür braucht es uns!

Solidarität, Migration und Antifaschismus

Migration war im Wahlkampf (bei allen Parteien) insgesamt wenig Thema. Auch die KPÖ hat es kaum thematisiert wie Menschen umgegangen wird. Ein drittel der in Wien lebenden Menschen ist vom Wahlrecht ausgeschlossen! Das hätten wir deutlich stärker Thematisieren sollen, denn offensichtlich hatten alle anderen Parteien Angst hier Stimmen an die FPÖ zu verlieren. Natürlich die Menschen ohne Wahlrecht könnten uns nicht wählen, aber es gibt auch Menschen die das Konzept von Solidarität verstanden haben. Die würden uns wählen. Und für die, die dieses Konzept noch nicht verstanden haben hätte der Wahlkampf eine Bühne geboten es zu vermitteln.

Laut Wählerstromanalyse sind nur etwa 2000 der 118000 KPÖ Stimmen von der FPÖ. Hier gab es nichts zu verlieren aber einiges zu gewinnen.

... alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ — Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW 1:380

Das ist es, wofür das K steht. Das müssen wir auch im Wahlkampf kommunizieren.

David gegen Goliath

Einer der Gründe warum Rechts-Rechtsextrem in Österreich immer noch eine Mehrheit hat sind die kleinformatigen Hetzmedien. Allen voran die Kronen-Zeitung. Seit einiger Zeit "gut" ergänzt von Servus-TV & Co.

Gibt es in Österreich jemanden, der sich getraut das auch auszusprechen? Bei den politischen Parteien anscheinend nicht. Alle haben sie Angst, dass sie dann dort am nächsten Tag "verrissen" werden. Ich denke die Anzahl derer, die das begriffen haben, ist nicht so klein und fast alle von denen würden sich wünschen, dass das auch einmal Ausgesprochen wird. Gerade viele jüngere Menschen informieren sich heute ohnehin hauptsächlich online. Ja die Online-Medien sind auch oft Echokammern der Offline Medien aber es gibt dort doch auch den Raum sich dagegen zu organisieren.

Die KPÖ spendet einen Großteil der Gehälter und will damit zeigen, dass sie nicht korrupt ist, aber ist es nicht auch eine Form von Korruption wenn man die Politik an die Wünsche der Boulvardpresse anpasst? Und mit einer klaren Kante gegen die Alternativen Fakten der Kleinformate hätten wir vielleicht da und dort auch die Sympathie der Qualitätsmedien.

Mit genau umgekehrten Vorzeichen schafft es ja auch die FPÖ dieses Spiel erfolgreich zu spielen: Dort bekommen sie Kritik von den Qualitätsmedien und werden vom Boulvard hochgeschrieben. Die Kritik wird dann als Gütesiegel benutzt: "Sie sind gegen ihn weil er für euch ist".

Auch Kommunist:innen haben die Verachtung die ihnen Entgegengebracht wurde als Gütesiegel gesehen: "Ein Gespenst geht um in Europa, ... "

Stellvertreter:innenpolitik und Paternalismus

Unser politisches System ist auf Stellvertreterpolitik aufgebaut: Abgeordnete werden gewählt die, stellvertretend für die Bevölkerung, Entscheidungen treffen. Wir als Kommunist:innen wünschen sich ein System in dem Menschen direkter in die Entscheidungen eingebunden sind. Eine Emanzipation der Menschen. Das Stellvertreter:innenprinzip führt letzlich zu einer Art Paternalismus in der sich die Entscheidungsträger den anderen überlegen fühlen.

Das Ursprüngliche Konzept des Wahlkampfes war hier ausgzeichnet gut: Wir senden "Expert:innen des Alltags" ins Parlament. Menschen die aus ihrer eigenen Erfahrung wissen was alles schief läuft. Bettina Prochaska die seit Jahrzehnten in der Intensivpflege tätig ist und die Probleme unseres Gesundheitsystems kennt.

Leider wurde dieses Konzept im konkreten Wahlkampf dann immer wieder verworfen. Wenn z.b. Tobias Schweiger darauf verweist dass wir die Anliegen der Bevölkerung ja aus den Sozialberatungen kennen. Die Sozialberatungen sind natürlich gut und wichtig und wir dürfen uns damit auch im Wahlkampf brüsten, aber wenn wir es so darstellen, dass unsere Beratungen die zentrale Quelle unserer Erfahrungen sind, dann kommunizieren wir dass wir uns für über dieser Bevölkerung stehend sehen. Wir hatten über 330 Personen auf der Bundesliste - Menschen aus allen Lebensbereichen - auch ohne Sozialberatungen wäre extrem viel Erfahrung da was UNSER ALLE Leben betrifft. Wir stehen nicht über der Bevölkerung.

Ähnlich mit dem Misslungenen "Vertrag mit der Bevölkerung" der in den letzten Wahlkampftagen hervorgezaubert wurde: Wenn wir als Partei einen Vertrag mit der Bevölkerung schließen müssen, mit "Eid" und allem, dann begreifen wir uns offensichtlich nicht als Teil der Bevölkerung. Oder zumindest entsteht der Eindruck, dass wir das nicht tun. Ein ganz grobes Hoppala in der Kommunikation.

Es hätte genügend Menschen in der Partei gegeben denen solche Kunstfehler aufgefallen wären. Aber die wurden offensichtlich nicht einbezogen oder es wurden ihre Bedenken ignoriert. Was uns zum vorletzten Punkt der Kritik am Wahlkampf führt:

Aufholbedarf in Sachen innerparteilicher Demokratie

Die Partei ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Neue Gruppen sind dazu gekommen, etc.. Das ist schon eine Herausforderung für die innerparteilichen Strukturen. Aber viele der obigen Fehler hätten leicht vermieden werden können wenn es genügend Raum für innerparteiliche Diskussion und Austausch gegeben hätte.

Ein radikale Demokratisierung der Gesellschaft, inbesondere auch im Bereich der Arbeitswelt in der jetzt mehr oder weniger Diktatur herrscht, wäre ja eine zentrale Forderung von uns. Die kann aber nur glaubhaft vermittelt werden, wenn wir sie selbst auch leben. Die KPÖ war noch vor wenigen Jahren eine Partei mit sehr hohen Standards was die innerparteiliche Demokratie betrifft. Dort müssen wir wieder hin!

Kooperation mit dem Wandel wäre sehr wünschenswert gewesen

Auch wenn es im konkreten Fall auch nicht für den Einzug gereicht hätte: Eine Kooperation mit dem Wandel ("KEINE") wäre doch sehr wünschenswert gewesen. Politisch sind die durchaus sehr vernünftig - da macht es wenig Sinn gegeneinander anzutreten. Insbesondere da der Wandel es da und dort geschafft hat die Systemkritik recht originell und witzig rüberzubringen.

Fazit

Man/frau kann sich natürlich die 2.4% schönreden. Eine Verdreifachung. Tatsächlich wäre aber auch ein Einzug ins Parlament mit 4% möglich gewesen, hätten wir es nur geschafft mit kantiger Themensetzung auch wahrgenommen zu werden.

Mit der "nirgends Anecken" Strategie haben wir niemanden Verschreckt aber es gab auch wenig Motive uns zu wählen. Und noch schlimmer: Damit ist es auch kaum gelungen neue Aktivist:innen zu gewinnen.

Natürlich gibt es keine Garantie, dass wir mit einem kantigen Wahlkampf die 4% Hürde geknackt hätten aber ich halte es für sehr Wahrscheinlich.

Kommendes Jahr stehen die Gemeinde- und Bezirksratswahlen in Wien an. Vielleicht schaffen wir da dann den Einzug in den Gemeinderat.

Franz Schäfer (Mond), 30. September, 2024

Update:


| Newsletter | About | Impressum / Kontakt | RSS Feed | SPIP | Copyleft: Alle Artikel und Fotos unter GFDL falls nicht anders angegeben