Der Kabinettchef der früheren Innenministern Prokop wurde von der Industriellenvereinigung bezahlt. Der ihr Pressesprecher der Innenministerin wurde von einer privaten aber Parteinahen Versicherungsgesellschaft beschäftigt. Dass die Profitinteressen der Industriellen sich nicht unbedingt mit denen der Mehrheit der von ihne ausgebeuteten Menschen decken ist klar. Dennoch scheint es niemand zu stören, dass diese Organisation ganz unverhohlen ihre Agenten in den Büros von öffentlichen Ministerien platzieren dürfen [1]. Auch den österreichischen EU-Abgeordneten zahlt die Industriellenvereinigung ihre „AssistentInnen“.
Dann gibt es da noch das weite Feld des „Lobbyismus“ mit dem Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft überzeugt werden sollen. Dazu gehören neben Essenseinladungen auch Studienreisen und Produktpräsentationen und ähnliches. Letztlich istein Job in der Politik natürlich immer mit etwas unkalkulierbaren WählerInnenentscheidungen verbunden. Da ist es im gegenseitigen Interesse wenn die einen lukartive Jobs in Aussicht stellen die den Anderen als Auffangnetz dienen können.
Korruption ist in diesem System allgegenwärtig. Das meiste davon allerdings völlig legal. Korruption existiert bei weitem nicht nur zwischen Politik und Wirtschaft sondern vor allem auch innerhalb der Wirtschaft. Die Konkurrenz zwischen den Unternehmen bietet zwar einerseits Motivation die passive Korruption im eigenen Unternehmen zu bekämpfen andererseits aber auch Motiviation sich selbst durch Korruption anderer einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
In dem Masse in dem der Kapitalismus also auf der einen Seite die Korruption bekämpft fördert er sie auf der anderen Seite. Mit „Miles and More“ versuchen Fluglinien die Menschen zu bestechen die geschäftlich, vom Arbeitgeber bezahlt, viel Fliegen müssen. Wer genug Meilen sammelt bekommt dann Flüge die er/sie eventuell privat nutzen kann. Der Anbieder teuerer IT-Schulungen für eine proprietäre Datenbank lockt mit Geschenken für diejenigen die solche Kurse buchen. Die Kurse kosten einige tausend Euro, die Geschenke einige Hundert Euro. Ganz klar Korruption aber großteils legal.
Wie schafft der Kapitalismus es die Interessen einiger weniger zum Schaden der großen Mehrheit der Menschen durchzusetzen? Neben der Korruption der Politik sind hier auch die ManagerInnen und leitenden Angestelten mitverantwortlich. Die Loyalität der Komplizinen erkauft sich das Kapital mit relativ hohen Gehältern und Gewinnbeteiligungen. Neben der Horizontalen Korruption (zwischen Unternehmen) gibt es hier also auch die vertikale Korruption zwischen Kapital und Arbeit und innerhalb der dazwischen aufgebauten Ausbeutungs- und Unterdrückungshierarchie.
Über Korruption zu sprechen birgt damit immer auch die Gefahr einer verkürzten Kapitalismuskritik: Der „bösen“ illegealen Korruption wird, in moralisierender Weise, die „gute“ legale Bezahlung gegenüber gestellt. Dabei sind die Grenzen zwischen legal und illegal oft ebenso willkürlich wie die moralischen Werturteile.
Laut einer Studie haben die Hälfte der ManagerInnen in Österreich ein schlechtes Gewissen. Der Autor der Studie finde es alarmierend, dass es so viele sind. Alarmierend müsste es dabei sein, dass es so wenige sind. Vor 10 Jahren waren es noch etwa 75%. Die neoliberale Indoktrinierung funktioniert offensichtlich immer besser. Den ManagerInnen ist gar nicht mehr klar, dass sie die Ausbeutung von Mensch und Natur betreiben und im Wesentlichen nur dafür gut bezahlt werden gegen unsere Interessen zu handeln. Ohne diese Leute könnte der Kapitalismus nicht Funktionieren. Korruption ist hier also ein fundamentales Element im Kapitalismus.
WKO Chef Leitl forderte daher beim Forum Alpbach wieder mehr „ethische und moralische Grundsätze“ von den Unternehmern. Der Bock will also auch Gärtner sein. Natürlich werden ManagerInnen nur dafür bezahlt die Interessen der SharedholderInnen zu vertreten und möglichst keine Skrupel bei Masenkündigungen zu zeigen, wenn der Gewinn einmal Unterdurchnittlich ausfällt.
Korruption ist letztlich auch die konsequente Umsetzung der neoliberalen Ideologie: Ein (Schwarz)-Markt für alles. Kaufen und Verkaufen. Legal? Illgeal? Scheissegal!
Die in Politik- und Wirtschaftswissenschaften heute sehr beliebte Principal-Agent Theorie untersucht genau dieses Problem: Wie kann ein Auftraggeber (Principal) dafür sorgen, dass die Untergebenen (Agents) nicht nach ihren Interessen handeln sondern nach denen der Auftraggeber. Inzwischen wurde erkannt, dass sich damit auch Korruption ganz gut modelieren lässt. Klar: weil dieser Prozess ja immer eine Art von Korruption darstellt.
Korruption gab es auch schon unter vorkapitalistischen Verhältnissen. Was den Kapitalismus mit der Korruption verindet ist vor allem zweierlei: Einerseits erzeugt die dem System geschuldete enorme Ungleichverteilung die finanziellen Mittel mit denen im Großen Stil bestochen werden kann. Wichtiger aber noch: Es schafft die bestechlichen Subjekte. Der Mensch (Agent) der von seiner Arbeit entfremdet für Geld für jemanden Anderen (Principal) arbeitet und also nicht in seinem/ihrem eigenen Interesse arbeitet ist ja bereits bestochen. Ob jetzt diese vertikale oder die horizontale Bestechung stärker zum tragen kommt ist dann nur noch ein Detail.
„Die äußerliche Arbeit, die Arbeit, in welcher der Mensch sich entäußert, ist eine Arbeit der Selbstaufopferung, der Kasteiung. Endlich erscheint die Äußerlichkeit der Arbeit für den Arbeiter darin, daß sie nicht sein eigen, sondern eines andern ist, daß sie ihm nicht gehört, daß er in ihr nicht sich selbst, sondern einem andern angehört. Wie in der Religion die Selbsttätigkeit der menschlichen Phantasie, des menschlichen Hirns und des menschlichen Herzens unabhängig vom Individuum, d.h. als eine fremde, göttliche oder teuflische Tätigkeit, auf es wirkt, so ist die Tätigkeit des Arbeiters nicht seine Selbsttätigkeit. Sie gehört einem andren, sie ist der Verlust seiner selbst.“
— Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, 513
Zur Bekämpfung von Korruption müssen wir maximale Transparenz in Wirtschaft und Politik und radikale, partizipative Demokartie einfordern. Strenge Gesetzte gegen direkte Parteienfinanzierung durch private Unternehmen ebenso wie die demokartisierung der Wirtschaft. Die Überwindung der Korruption bedeutet aber letztlich die Überwindung der „Entfremdung des Menschen von sich und seiner Arbeit“ also die Verwirklichung des Kommunismus. Wer im eigenen Interesse an Dingen arbeitet die er/sie sinnvoll und wichtig findet, der/die ist auch nicht korumpierbar.
Franz Schäfer, 1. Mai 2008