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Am Beispiel von Microsoft: Wie teuer kommt uns der Kapitalismus?

Mittwoch 21. Mai 2008, von mond

In Zusammenhang mit den, von der EU gegen Microsoft verhängten Bußgeldern, wird oft von "Rekordstrafen" gesprochen. Tatsächlich betragen diese aber umgerechnet nur etwa 1 EUR/EU-BürgerIn und sind vom tatsächlich durch Microsoft verursachten Schaden um mehrere Größenordnungen entfernt. Aus der Betrachtung dieses Falles lässt sich auch einiges über den Schaden den der Kapitalismus ganz generell anrichtet lernen.

Zur Schadensabschätzung

- Monopolrente: Die Preise der Microsoft Produkte sind durch das Defacto-Monopol enorm überhöht [1]. Der direkte Schaden dürfte in Europa etwa 75 Euro pro Kopf betragen.

- Überteuerte Hardware: Ohne dass die Software viel nützlicher wird, benötigt jede neu Windows Version immer stärkere Hardware. Viele UserInnen benötigen nicht viel mehr auf ihrem Arbeitsplatz als ein wenig Textverarbeitung, E-Mail und einen Webbrowser, was auch auf älterer Hardware gut funktionieren würde, wenn die Software nicht immer aufgeblasener werden würde. Der Netzwerkeffekt zwingt die Menschen aber zum Software Upgrade und dies erfordert bei Microsoft auch immer einen Hardware Upgrade. Besonders Vista ist in dieser Hinsicht besonders unverschämt ressourcenfressend. Rechnen wir überschlagsmäßig, dass Betriebsystem und Office Software etwa ein Drittel der Anschaffungskosten ausmachen und dass etwa jedes 2te Upgrade der Hardware nur durch den unnötigen Ressourcenhunger von Microsoft Produkten entsteht, dann haben wir hier auch etwa 75 Euro an entstandenem Schaden.

- Datenverlust, Spam, Viren, Torjans: Dieser Bereich ist natürlich schwer abschätzbar. Keine Software ist hundertprozentig sicher. Bugs gibt es überall. Jedoch macht (getrieben durch kurzfristige Marketingüberlegungen) Microsoft an allen Stellen an denen es zwischen Sicherheit und oberflächlicher BenutzerInnenfreundlichkeit zu entscheiden gilt immer die Entscheidungen zugunsten letzterem. Das waren von Anfang an elementare Designentscheidungen [2]. Wie hoch der Schaden dadurch ist, ist schwer zu beziffern. Heutzutage wird die Welt von Botnetzen (zumeist infizierte Windows-PCs von PrivatbenutzerInnen auf DSL Leitungen) terrorisiert. Diese sind eine massive Bedrohung der gesamten Netzwerksicherheit und die Hauptquelle von Viren und Spam Attacken. Rechnen wir den Spam so ergeben sich etwa Kosten von 1 Euro/Monat/Arbeitsplatz für Spam- und Virenfilter und vielleicht etwa 10 Euro/Arbeitsplatz an Produktivitätsentgang pro Monat. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung haben wir einen Schaden durch Spam von etwa 130 Euro/Kopf. Konservativ geschätzt dürfen wir davon ausgehen dass der Schaden durch Datenverlust noch einmal so hoch ist. (Dieser ist meist in klassischen TCO Berechnungen nicht enthalten und sollte daher extra angeführt werden).

- TCO: Software wird nicht nur gekauft sondern muss auch laufend gewartet und bereut werden. Laut einer EU-Studie (PDF) kommt hier bei vielen Packten Freie Software um die Hälfte billiger als vergleichbare kommerzielle Software [3]. Wenn wir davon ausgehen, dass die TCO etwa 10 mal höher sind als die Anschaffungskosten der Software und davon langfristig etwa 50% gespart werden können, dann haben wir hier einen Schaden von 375 Euro/ Kopf. Auch eine von Micro$oft bezahlte studie rechnete vor wie viele Job (mehrere 10000) durch die Einführung von Vista geschaffen werden. Als sie merkten, dass die KäuferInnen davon nicht begeistert sind wenn man ihnen erklärt wie viel extra Kosten ihnen der Wahnsinn aufbürden würde hat Microsoft die Studie schnell wieder von der Website entfernt. [4]

In Summe haben wir also 705 Euro an Kosten durch Microsoft pro Kopf [5] in Europa in den letzten 10 Jahren. Dagegen wirken die etwa 1 Euro an Bußgeldern ziemlich lächerlich. Natürlich handelt es sich dabei um eine relativ grobe Schätzung, aber die Größenordnung von etwa 700 Euro dürfte stimmen. Der Schaden ist also sicherlich höher als 70 Euro und vermutlich geringer als 7000 Euro. Ebenfalls nicht eingerechnet ist der Schaden durch andere kommerzielle Softwarehersteller.

Einwände

- Aber die Zahlen doch auch Steuern? Nein: wir zahlen die Steuern. Die Mehrwertsteuer wird ohnehin nicht mehr Teil des Umsatzes gerechnet.

- Aber die schaffen doch Arbeitsplätze?

„Wir brauchen keine Arbeitsplätze, wir brauchen Schuhe, Nudeln, Betten, Wohnungen, Musik und Kartoffeln, Anzüge und Würste, Badewannen und Artischocken, Haarnadeln und Rotwein, Kopfschmerztabletten und Lastwagen, Bilder, Bücher und Brot.“ — E.A. Rauter

Es nützt aber nichts wenn wir Arbeitsplätze Schaffen die uns keine Gebrauchswerte produzieren. Da könnten wir auch Leute dafür bezahlen, dass sie Gruben ausschaufeln um sie danach gleich wieder zuzuschütten. Das schafft auch Arbeitsplätze. Die 700 Euro an Schaden zeigen genau dies auf: Um dieses Geld hätte auch gesellschaftlich nützliche Arbeit finanziert werden können: KrankenpflegerInnen, LehrerInnen, etc.. etc... Alleine in Europa könnten mit 140Euro/Jahr/Kopf etwa 1.5 Million Menschen beschäftigt werden die sinnvolles leisten. Oder wir könnten statt dessen alle einfach etwas mehr Freizeit genießen.

Ist das Ganze für den Kapitalismus insgesamt beispielhaft?

Ja und Nein. Solche Abhängigkeitsverhältnisse wie sie im Software Bereich geschaffen werden können sind nicht überall möglich, aber in unserer High-Tech Welt immer häufiger. Siehe: Vendor-Lockin und die digitalen Wegelagerer. Die Schaffung künstlicher Knappheit ist ebenfalls viel weiter verbreitet als gemein hin angenommen. Siehe: Bastiat, Broken Windows, Klimakatastrophen und Kriege.

Das sind Aspekte die in der klassischen marxistischen Analyse oft außer Acht gelassen werden. Dort gilt manchen die kapitalistische Konkurrenz immer noch als Garant für Effizienz. Dass Firmen wie Microsoft 10 mal mehr Schaden anrichten als sie selbst Umsatz machen ist dort noch nicht bekannt. Daher wird in diesen Teilen der Linken auch vor allem die Forderung nach „Umverteilung“ des geschaffenen gesellschaftlichen Reichtums aufgestellt. Dabei wäre bei einer Abkehr von der ineffizienten Kapitalistischen Produktionsweise auch insgesamt mehr für alle da. Im Beispiel von Microsoft 10 mal mehr. In vielen anderen Bereichen sicherlich ebenfalls zig mal mehr: Das Ganze ist also kein Nullsummenspiel wo nur das was den einen weggenommen wird den anderen gegeben werden kann. Siehe auch: Die sieben Probleme mit dem Kapitalismus.

Franz Schäfer, Mai 2008.

Update August 2008: Laut einer Studie betragen die externen IT-Kosten von Unternehmen etwa 700Euro/ÖsterreicherIn/Jahr. Davon 47% Hardware und 30% Software. Das zeigt, dass die obige Schätzung eher zu vorsichtig (zu niedrig) ist als zu hoch.

Anmerkungen

[1Openoffice, ein im Vergleich zu Microsoft-Office vergleichbares Produkt, wird noch immer relativ wenig verwendet obowohl es gratis und frei ist. Das Selbe gilt für das Betriebssystem selbst und viele andere Anwendungen. Die Entwicklung von OpenOffice würde etwa 230Millionen EURO kosten. Wenn wir annehmen dass Microsoft Office weltweit öfter als 230 Millionen mal verkauft wurde gibt sich ein Anteil an den Produktionskosten der Software von unter 1 Euro / Kopie. Siehe Wikipedia: SLOC, More than a Gigabuck: Estimating GNU/Linux’s Size, Die Produktion Freier Software als Beispiel für Kooperation statt kapitalistischer Konkurenz. Der Preis für MS-Office beträgt aber etwa 200 Euro. Weniger als 0.5% des Verkaufspreises werden also für die Produktion der Software aufgewendet. 99.% sind Entweder Profite an Shareholder oder unnützer kapitalistischer Overhead, Marketing, Vertrieb, etc.. Eventuell auch Korruption. Da der Microsoft Umsatz vorwiegend mit Software Verkauf gemacht wird, kann ausgehend von dieser Abschätzung davon ausgegangen werden, dass weit mehr als 95% des Umsatzes der Firma keinen Nutzen für uns Schaffen. Mehr als 95% des Umsatzes der Firma müssen hier als Schadenssumme angesetzt werden. Eher etwas mehr, da die ZwischenhändlerInnen für Software ja auch noch eine Gewinnspanne haben die auch in den Schaden eingeht (Es wird ja gegenüber einem Gratis Download kein Gebrauchswert geschaffen, eher im Gegenteil). Wir können den Microsoft Umsatz also zur Gänze als Schadenshöhe Ansetzen. Dieser betrug im Jahre 2007 etwa 35 Milliarden Euro. Das sind etwa 5 Euro pro Kopf der Weltbevölkerung (egal wie alt, egal ob jemals einen Computer benutzt). In Europa dürfte der Umsatz etwa 15 Euro pro Kopf pro Jahr betragen. Rechnen wir einen linearen Anstieg in den letzten 10 Jahren dann haben wir etwa 75 Euro Gesamtschaden pro Kopf.

[2z.b. eine Macro-Sprache in Microsoft Office die auch beliebige Systembefehle ausführen konnte und die alle die solche Dokumente per E-Mail oder damals noch per Diskette erhalten hatten allerhöchsten Gefahren aussetzte.). Auch wenn Microsoft heute versucht die gröbsten Lücken zu schließen hat sich an der Philosophie nichts geändert. Siehe z.B.: New Malware Report Hits Vista’s Security Image.

[3Siehe auch: Linux Versus Microsoft TCO

[5egal ob dieser Computer verwendet und ohne den schwer zu beziffernden Datenverlust gerechnet.


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