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Wie funktioniert die EU?

Freitag 4. Juli 2008, von mond

Mit dem der als „Reformvertrag“ neu aufgelegten EU-Verfassung ist die Europäische Union wieder zum Gegenstand von intensiven Diskussionen geworden. Vielen fehlt dazu aber das notwendige Basiswissen. In diesem Artikel will ich in einfachen, verständlichen Worten das Funktionieren der EU erklären. Vieles hier mag sehr kritisch klingen gerade weil ich der gegenüber der Idee einer Europäischen Integration Grundsätzlich sehr positiv eingestellt bin. (Siehe dazu auch:
Internationalismus bei Marx - aktueller denn je und Ministerrat abschaffen - Europaparlament aufwerten)

Die EU ist heute einerseits mehr als ein loser Staatenbund aber dennoch kein großer Superstaat sondern liegt hier irgendwo in der Mitte. Die Machtstrukturen der EU zu verstehen ist nicht möglich ohne die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse: den heute herrschenden neoliberalen Kapitalismus der weltweit zu Kriegen, Hungersnöten Umweltzerstörung führt und einer systematische Aushöhlung der Demokratie bewirkt [1].

Die gesellschaftlichen Grundlagen

Die meisten in den EU-Ländern (und damit auch in der der EU) herrschenden Kräfte sind in der einen oder anderen Form vom kapitalistischen System korrumpiert [2]. Was nicht heißt , dass alle böse Menschen sind: viele werden die Märchen der vorherrschenden neoliberalen Ideologie durchaus glauben. Die Märchen von den Sachzwängen und den fehlenden Alternativen und harten und unpopulären Maßnahmen die deswegen gesetzt werden müssen. Diese PolitikerInnen finden sich vor allem Sozialdemokraten (SPÖ, SPD, .. = PSE) und den Volksparteien (ÖVP, CDU/CSU, ... = EPP). Gemeinsam haben diese Parteien die Mehrheit in den meisten EU-Ländern und in den meisten EU-Gremien. Diese Parteien sind also verantwortlich dafür wie sich Europa heute entwickelt und wie es bis jetzt gestaltet wurde. Wesentlich mitverantwortlich für den schlechten Zustand in dem sich die EU befindet sind auch die rechtsextrmen Kräfte, die hier eine besondere Rolle spielen. Aber mehr dazu später.

Wobei das mit der „Verantwortung“ so eine Sache ist. Jede dieser Parteien wird natürlich behaupten ein viel besseres Europa haben zu wollen, aber im Sinne der gemeinsamen Sache halt „Kompromisse“ eingegangen werden mussten weil man/frau sich mit den eigenen Vorstellungen nicht so ganz durchsetzen konnte. Im Grunde will niemand verantwortlich Sein. Nach diesem Prinzip ist auch die EU selbst aufgebaut: Ein möglichst komplexes, intransparentes System das es erlaubt viele eckelhafte Gesetze durchzubringen und am Ende ist keiner schuld. Und das Ganze möglichst mit demokratischem Anstrich.

Wobei mit einigen wenigen Maßnahmen die Transparenz und damit die Demokratie deutlich verbessert werden könnten. Allerdings: Solange das Kapitalistische System und seine StellvertreterInnen aus den neoliberalen Parteien herrschen wird es dazu nicht kommen. Wenn sie leicht und ohne gesichtsverlust könnten, dann würden diese Parteien natürlich auch in ihren jeweiligen Nationalstaaten die Demokratie aushöhlen. Aber das ist eben nicht so leicht. Wohingegen Brüssel noch eine Baustelle ist, an der solche Veränderungen leichter machbar sind. Besonders Italien, das seit Berlusconi wieder von der Mafia regiert wird, zeit jedoch, dass es durchaus auch in den Nationalstaaten geht die Demokratie effizient auszuhöhlen.

Um die EU zu verstehen ist es jedenfall wichtig zu erkennen, dass die EU nicht die „Ursache allen Übels“ ist sondern nur ein Symptom der Gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie ist Ausdruck der Herrschaft des Kapitals, sie ist Ausdruck der bürgerlichen, neoliberalen, kapitalistischen Gesellschaft. Sie zu „bekämpfen“ wäre daher sinnlos oder sogar, wie im folgenden gezeigt werden soll, sogar kontraproduktiv.

Ein Gutes hat die EU bei all ihren Demokratiedefiziten und bei all ihrer Ausrichtung an neoliberaler Ideologie auf jeden Fall: Sie erfordert von jenen die für eine bessere Welt kämpfen, die also gegen Hunger, Krieg, Armut, Ausbeutung, Zerstörung der Natur, etc. kämpfen, sich zumindest auf Europäischer Ebene zu Organisieren. Und da diese globalen Probleme ohnehin nicht in kleinem, nationalen Rahmen lösbar sind hilft sie einen absolut notwendigen Schritt zur Lösung zu setzen: eben sich international zu Vernetzen. Im Kampf gegen Software Patente ist dies bereits gut geglückt, andere Bereiche hinken noch hinterher. Beschämend ist, dass die Gewerkschaften noch nicht geschafft haben sie auf europäischer Ebene wirklich zu organisieren. Unerlässlich für das Verständnis der EU ist daher auch der Begriff „Standortwettbewerb“.

Die EU mit all ihr Problemen ist also wichtig im Kampf gegen den neoliberalen Kapitalismus. Gerade auch weil ihre Verfasstheit auch Ausdruck dieser Ideologie ist.

Die EU-Institutionen

Die gegenwärtige EU besteht aus 3 wichtigen Organen: EU-Kommission, EU-Ministerrat und EU-Parlament.

Das Parlament entspricht dabei noch am ehesten dem was wir aus der nationalstaatlichen bürgerlichen Demokratie kennen. Abgeordnete werden alle 5 Jahre direkt in den Mitgliedsländern gewählt. Für viele wichtige Fragen ist die Entscheidung oder auch nur Mitentscheidung des EU-Parlament aber gar nicht vorgesehen.

Der Ministerrat setzt sich aus den Regierungsmitgliedern der einzelnen nationalen Parlamente zusammen. In einem komplizierten Verfahren mit einem bis zu 3 mal-igen hin und her entscheidet der Ministerrat gemeinsam mit dem Parlament über die Gesetzesentwürfe (Direktiven).

Die Kommission ist das mächtigste Gremium der EU. Sie entspricht in etwa den Regierungen auf nationalstaatlicher Ebene. Sie hat als einziges die Möglichkeit Entwürfe für Direktiven einzubringen. Gleichzeitig ist es auch das undemokratischte Gremium: Die Bestellung der KommisarInnen durch die Regierungen der Mitgliedsländer ist extrem intransparent. Während die Regierungen der Mitgliedsländer eventuell schon längst gewechselt haben bleiben die von ihnen nominierten KommisarInnen weiter im Amt. Die EU-Kommission ist daher vor allem für die groben Sachen zuständig wo massiv gegen unsere Interessen entschieden werden „muss“. Wer jetzt für die Schweinereien wirklich verantwortlich ist ist den WählerInnen praktisch nicht mehr erkennbar und selbst wenn nicht mehr beeinflussbar. Haben sich die KommisarInnen genügend unbeliebt gemacht werden sie eben gegen neue Gesichter ausgetauscht.

Aushebelung der Demokratie

Damit ergeben sich viele Möglichkeiten den Entscheidungsprozess in der EU so zu gestalten, dass die WählerInnen nicht mehr wissen wer für die gegen sie gerichtet Politik verantwortlich ist. Üblich ist es den Unmut möglichst geschickt national zu verteilen: Wenn z.B. in Land A eine starke Umweltbwegung und in Land B eine starke Friedensbewegung existiert werden die Abgeordneten, die KommisarInnen und die Minister von Land A eher für die Militarisierung und als "„Gegengeschäft“ die VertreterInnen von Land B für die Umweltzerstörung stimmen. etc. etc..

Generell ist die Berichterstattung der Medien über die Themen die gerade in der EU entschiedn werden sehr schlecht. Die Themen werden meist erst aufgegriffen wenn es um die nationalstaatliche Umsetzung der Direktiven geht. Dort können dann alle Parteien so tun als wäre ihnen das zwar unangenehme Vorgabe aus dem „fernen Brüssel“. Dass es die selben Parteien waren die genau diese Vorgaben wenige Monate zuvor in Brüssel und Strasbourg beschlossen haben wird meist möglichst verschwiegen.

Die EU in ihrer jetztigen Verfasstheit ist also vor allem ein Mittel zur Aushebelung der (ohnehin extrem unterentwickelten) Demokratie. Sie ist aber nicht die Ursache dieser Aushebelung. Der neue Reformvertrag hat keine bis kaum Verbesserungen in dieser Hinsicht zu bieten. Wer oder was hätte die Herrschenden aufgehalten wenn sie im Verfassungsentwurf eine massive Aufwertung des EU-Parlaments vorgesehen hätten? Es ist also offensichtlich, dass die Demokratisierung der EU von SP+VP nicht gewollt wird. Ist eben nicht im Profitinteresse des Kapitals.

Rechtsextremismus

Wie reagieren die Menschen darauf? Viele durchschauen dieses Spiel aber leider nicht wirklich. Das wird von PopulistInnen und rechtsextremen Demagogen genützt: Die behaupten: Was von Brüssel kommt ist alles schlecht und nur der Nationalstaat ist der Garant für alles Gute. Nationalistische, rassistische, rechtsextrme Kräfte bekommen damit Zulauf und fordern die „nationae Souveränität“. Damit werden aber die weniger demokratischen Institutionen in der EU (Ministerrat und Kommission) gerade noch gestärkt und die Demokratiedefizite werden Verschlimmert.

Die extreme Rechte speist sich als einerseits aus den Problemen der EU und ist gleichzeitig auch der Garant für die dortigen Demokratiedefizite.

Franz Schäfer, Juli 2008


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