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Kapitalismus einfach erklärt

Montag 17. November 2008, von mond

Wie funktioniert Kapitalismus? Was ist Kapitalismus? Der folgende Versuch diese Fragen einfach zu beantworten kann sicher nicht die Lektüre von Marx ersetzen aber zumindest eine Idee der wichtigsten Konzepte vermitteln.

Die große Frage dabei ist: Wie mache ich aus 100 Euro nach möglichst kurzer Zeit 110 Euro? Marx nennt es das „Geheimnis der Plusmacherei“.

Gesellschaftlich notwendige Arbeit

Frühstück

„Wir brauchen keine Arbeitsplätze, wir brauchen Schuhe, Nudeln, Betten, Wohnungen, Musik und Kartoffeln, Anzüge und Würste, Badewannen und Artischocken, Haarnadeln und Rotwein, Kopfschmerztabletten und Lastwagen, Bilder, Bücher und Brot.“ — E.A. Rauter

Wieviel müssen wir in Summe arbeiten um all das zu erzeugen was wir zum Leben brauchen? Das ist natürlich eine Frage des Lebensstandard. Je mehr Güter und Dienstleistungen wir haben wollen, desto länger müssen wir arbeiten. Allerdings ist Feizeit, Zeit die wir haben um soziale Kontakte zu pflegen, etc. auch ein wichtiger Teil der Lebensqualität.

Da die Produktion dankt der modernen Technik immer mehr automatisiert werden kann steigt die Produktivität: Wir müssten weniger lang arbeiten um den selben Lebensstandard zu haben. Wenn wir die Produktivitätssteigerung seit den 1950 aufrechnen dann müssten wir heute nur noch 10 statt 40 Stunden arbeiten um den selben Lebensstandard zu haben.

Der Tausch

Im Kapitalismus wird getauscht. Geld wird gegen Waren getauscht (Einkauf) und auf der anderen Seite wird Ware gegen Geld getauscht. Der Tausch alleine macht dabei noch keinen Kapitalismus. Allerdings ist es wichtig den Tausch zu verstehen um den Kapitalismus zu verstehen.

Waren könnten prinzipiell auch direkt getauscht werden aber das ist nicht sehr praktisch. Daher wurde das Geld entwickelt. Anfangs erfüllten Edelmetalle (Gold, Silber) diesen Zweck. Später wurde das Edelmetall in den Banken verstaut und Papiergeld als Anrecht auf dieses Gold ausgegeben. Heute sind die Währungen nur noch gegenseitiger Gradmesser der wirtschaftlichen Stärke der einzelnen Wirtschaftsräume.

Wer fair tauscht kann keinen Gewinn machen: Ich habe 100 Euro. Kaufe dafür eine bestimmte Ware die genau 100 Euro Wert ist. Ich verkaufe sie wieder um 100 Euro und habe dabei nichts gewonnen. Marx nennt das „Äquivalententausch“. Damit läßt sich offensichtlich kein Plus machen.

Natürlich gibt es unfairen Tausch. Jemand kauft Ware die eigentlich mehr Wert ist aber der Verkäufer gibt sie billiger ab weil er/sie in einer Notlage ist oder den Wert nicht kennt. Aber bei solch unfairen Tausch ist der Gewinn des einen immer Verlust des anderen. In Summe über alle Tauschgeschäfte gerechnet heben sich solche auf. Es wird kein Plus gemacht. Wo kommt es also her dieses „Plus“?

Produktion und Konsumation

Dinge werden nicht endlos hin und her gekauft und verkauft. Letztlich werden sie von irgend jemand konsumiert. Wir kaufen Lebensmittel, Bücher, Wohnraum, und diverse Dienstleistung die wir verbrauchen. Ein bestimmtes Maß an diesen Dingen müssen wir konsumieren um bei einem bestimmten Lebensstandard überleben zu können.

Die Dinge die auf der einen Seite konsumiert werden müssen auf der anderen Seite auch produziert werden.

Der Wert

Wie viel ist etwas „wert“? Das ist hängt davon ab wie „Wert“ definiert wird. Marx hat dazu viel geschrieben. Für das oberflächliche Verständnis sind aber zumindest folgende Begriffe notwendig:

„Gebrauchswert“ ist ein sehr subjektiver Wert. Ein bestimmtes Ding kann für mich sehr nützlich oder wichtig sein. Z.b. ein einzigarties Familienfoto das für andere Menschen kaum „Wert“ hat.

„Tauschwert“ - der Wert den eine Ware im kapitalistischen Tausch erzielt. Dieser hängt von Angebot und Nachfrage ab. Aber bei „normaler“ Nachfrage und einem diesem entsprechenden Angebot gibt es einen gewissen „inneren“ Wert um den herum die tatsächlichen Tauschwerte jeweils schwanken.

Von diesem „Wert“ wollen die bürgerlichen Ökonomen heute nichts wissen. Marx vertritt die These, dass das einzige was Wert schafft „die Erde und den Arbeiter“ (MEW23, S.529) sind. Seine Analyse konzentriert sich allerdings sehr stark auf den Faktor Arbeit. Man spricht daher auch von der „Arbeitswerttheorie“: Der Wert eines Produkts ist die in ihm enthaltene Arbeitszeit. Dabei geht natürlich nicht nur die direkte Arbeitszeit ein sondern indirekt auch die Maschinen die sich abnutzen aber zu ihrer Herstellung auch Arbeitszeit benötigten und die Rohstoffe die zu ihrem Abbau auch Arbeitszeit benötigten.

Auch wenn die bürgerlichen Ökonomen sich nicht für diesen Wert interessieren: Für uns Menschen und für die Frage wir unsere Gesellschaft organisieren ist es ein zentraler Aspekt: Wieviel Arbeit steckt in einem Produkt?

Mit der zunehmenden Produktivität (die hat uns im übrigen nicht der Kapitalismus verschafft sondern der technologische Fortschritt) brauchen wir immer weniger Arbeit für ein gewisses Produkt. Andererseits spielen heute die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen (Boden, Energie, ..) eine viel größere Rolle als noch vor 150 Jahren. (Siehe auch: Der grüne Marx ).

Ökonomen wie Adam Smith und David Ricardo gingen noch davon aus, dass dieser „innere Wert“ auch der Wert sei um den die Preise im Kapitalismus pendeln würden. Das wird inzwischen sowohl von bürgerlichen als auch bei marxistischen Ökonomen bezweifelt.

Es gibt in Summe eine Anzahl an Arbeitsstunden die notwendig ist um alle, für unser Leben notwendigen Produkte und Dienstleistungen zu produzieren und diese Arbeit. Umgekehrt muss diese Arbeit in Summe in all diesen Produkten enthalten sein.

Das Kapitalverhältnis

Viele Menschen besitzen außer ihrer eigenen Arbeitskraft nichts das sie verkaufen können. Sie sind, um überleben zu können, darauf angewiesen ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Dem gegenüber stehen Menschen die die Fabriken und Maschinen besitzen die notwendig sind um Produkte effizient erzeugen zu können.

Das Kapital lässt also die Menschen für sich arbeiten. Sie werden in ihren Fabriken und Betrieben angestellt und erhalten einen Lohn der gerade ausreicht damit sie (bei einem bestimmten Lebensstandard) halbwegs überleben können.

In die Klasse der Lohnabhängigen fallen auch jene die ihre Arbeit nicht pro/Stunde verkaufen sondern auf Stückkostenbasis „selbstständig“ tätig sind.

Die Arbeit - eine ganz spezielle Ware

Arbeitssuche

Die KapitalistIn bezahlt dem/der Lohnabhängigen den Tauschwert seiner/ihrer Arbeitskraft - genau so wie auch beim Kauf anderer Waren wird der Tauschwert bezahlt. Was erhalten die KapitalistInnen aber dafür? Sie dürfen die Arbeitskraft für eine gewisse Zeit befehligen. Sie erhalten den Gebrauchstwert der Arbeitskraft. Der ist in der Regel höher als der Tauschwert.

Angenommen eine Programmiererin bekommt 30000 Euro im Jahr. Sie schreibt dafür 8h/Tag Programme die der Kapitalist dem die Firma gehört bei der sie Arbeitet dann mit etwas Glück um 100000 Euro verkauft. Der hat also 70000 Euro Gewinn gemacht.

Der Tauschwert der Arbeit ersetzt im wesentlichen das was notwendig ist um Essen, Kleidung, Wohnung, Bildung, Gesundheitsvorsorge, etc.. abzudecken. Also was zur so genannten „Reproduktion“ der Ware „Arbeitskraft“ notwendig ist.

Zu beachten ist, dass dieser ungleiche Tausch durchaus ein, im obigen Sinne „fairer“ tausch ist: Der Kapitalist bezahlt den fairen Preis der Ware Arbeitskraft, den Marktpreis. Bloß dass er dafür eine „Ware“ erhält die eine spezielle Fähigkeiten hat: Wert zu schaffen. Das ist letztlich das Geheimnis der Plusmacherei.

Die Veränderung kann also nur entspringen aus ihrem Gebrauchswert als solchem, d.h. aus ihrem Verbrauch. Um aus dem Verbrauch einer Ware Wert herauszuziehn, müßte unser Geldbesitzer so glücklich sein, innerhalb der Zirkulationssphäre, auf dem Markt, eine Ware zu entdecken, deren Gebrauchswert selbst die eigentümliche Beschaffenheit besäße, Quelle von Wert zu sein, deren wirklicher Verbrauch also selbst Vergegenständlichung von Arbeit wäre, daher Wertschöpfung. Und der Geldbesitzer findet auf dem Markt eine solche spezifische Ware vor - das Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft.“ — MEW23:181 (Karl Marx, Kapital Band I)

Wachstumszwang

Die EigentümerInnen des Kapitals können meist nur einen kleinen Teil des Gewinnes selbst verbrauchen. Der Rest wird wieder investiert und bringt erneut Gewinn. Mit einer bestimmten Menge an Geld kann eine bestimmte Menge an Arbeit kommandiert werden. Diese nimmt damit aber ständig zu. Das war der Grund für Kolonialismus der vergangenen Jahrhunderte. Heute herrscht der Kapitalismus global und hat keinen Platz mehr für externe Expansion. Das führt zur inneren Expansion: Immer mehr Bereiche unseres Leben die noch nicht kapitalistisch verwertet wurden werden heute zur Ware gemacht.

Immer mehr Unsinn wird produziert. Immer wieder führt die Überproduktion zu Krisen:

In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus,
welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die
Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in
einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen
gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen
Eigentums.
“ — Manifest der Kommunistischen Partei, Karl Marx, 1847

Siehe auch: Börsencrash und Realwirtschaft und Bastiat, Broken Windows, Klimakatastrophen und Kriege.

Zinsen, Banken, Aktienkurse, Spekulation & Co

Das Bild des heutigen Kapitalismus wird vor allem durch Banken und Konzerne geprägt. Oftmals werden „böse Spektulanten“ für die Probleme verantwortlich gemacht. Diesen wird dann meist das idealisierte Bild einer „guten Produktion“ entgegen gestellt. Solcherart Verkürzungen der Kapitalismuskritik haben vor allem die Nazis betrieben. Auch heute sind sie in rechtsextremen Kreisen zu finden. Immer öfter aber auch unter selbsternannten Linken die nicht verstehen, dass der „ganz normale“ Kapitalismus schon das Problem ist: Das Übel beginnt da wo Menschen nichts haben außer sich selbst zu verkaufen und andere die Produktionsmittel kontrollieren. Alles andere: Zinsen, Banken, Aktienkurse, Spekulationen, etc.. sind alles abgeleitete Phänomene. Irgendwo muss am Ende jemand/jefrau arbeiten damit wir unser Leben fristen können.

Die Wirtschaft wäre da um dieses Arbeiten möglichst gut und sinnvoll zu organisieren. Die kapitalistische Wirtschaft schafft das aber immer weniger. Jährlich verhungern 10 Millionen und mehr Menschen obwohl genügend Nahrung für alle da wäre. Daneben werden 1000 Millarden Euro in Rüstung gepulvert. Abermilliarden in Werbung um Bedarf für Produkte zu schaffen die wir nicht brauchen. Wissen und Information die heute ohne Kosten für alle zugänglich gemacht werden könnten werden über Gesetze künstlich rar gemacht um sie im Kapitalismus als Ware handeln zu können. Die einen werden bezahlt um Spam zu filtern, die anderen werden bezahlt um welchen zu produzieren. etc.etc... Der kapitalistische Irrsinn ist unbeschreiblich. Siehe auch: Die sieben Probleme mit dem Kapitalismus.

Wenig Antworten aus der bürgerlichen Wissenschaft

Heute befasst sich ein ganzer Zweig der Wissenschaft mit dem Thema: Wirtschaftswissenschaften. Diese helfen jedoch kaum bei der Beantwortung der Frage was den der Kapitalismus ist. Die eine Hälfte dieser Wissenschaft, die Betriebswirtschaftslehre betrachtet das ganze nur aus der Sicht der UnternehmerInnen: Wie man/frau profitabel wirtschaftet. Die UnternehmerInnen interessieren sich aber darüber hinaus herzlich wenig für den Kapitalismus. Der andere große Zweig der Wirtschaftswissenschaften, die Volkswirtschaftslehre sollte sich eigentlich schon damit beschäftigen wie das Wirtschaftssystem im großen und Ganzen funktioniert. Allerdings werden dort die Fragestellungen und Begriffsdefinitionen so gefaßt., dass die wesentlichen Aspekte möglichst verschleiert werden. Wer den Kapitalismus wirklich verstehen will, sollte also auf Marx zurückgreifen.

Franz Schäfer, November 2008


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