qummunismus / kommunismus reloaded
Startseite > Theorie > Solidarische Ökonomie und Freie Software

Solidarische Ökonomie und Freie Software

Freitag 20. Februar 2009, von mond

Uns Linken wird ja oft vorgeworfen wir hätten zwar mit unserer Kritik am Kapitalismus durchaus recht aber, dass wir halt auch keine Alternativen wüssten. Oft wird auch noch unterstellt, dass wir zurück zu autoritären, planwirtschaftlichen Strukturen wollten.

Das Aufzeigen von Alternativen ist damit eine extrem wichtige Aufgabe für alle denen es mit Gesellschaftskritik ernst ist. Dann was würde es wirklich nützen wenn der Kapitalismus zwar eine extrem schlechte Form des Wirtschaftens ist die über 10 Millionen Todesopfer pro Jahr fordert und unsere Lebensgrundlagen zerstört, aber es keine bessere Alternative zu dieser schlechten Form des Wirtschaftens gibt?

Was beim Nachdenken über alternative Wirtschaftsformen oft übersehen wird ist, dass es durchaus schon einige vorhandene, vorzeigbare und gut funktionierende Beispiele gibt wie eine alternative Produktion aussehen kann, die nicht nach den Gesetzmäßigkeiten der profitorientierten Kapitalistischen Produktion organisiert ist.

Den Fokus dabei auf die Produktionsverhältnisse zu legen ist umso wichtiger als gerade in Zeiten der Krise verstärkt eine regressive, rechtsextreme Form der Kapitalismuskritik wider verstärkt an Zuspruch gewinnt und die sich vor allem auf moralisierende Kritik am Geld konzentriert.

Die Produktion Freier Software

Was macht die so erfolgreiche Produktion Freier Software aus?

Siehe dazu auch Die Produktion Freier Software als Beispiel für Kooperation statt kapitalistischer Konkurrenz

Die wesentlichsten Erkenntnisse aus dem Text der die Basis meines Workshops bei der Attac Sommerakademie 2005 bildete und auch im Buch Zwischen Konkurrenz und Kooperation. Analysen und Alternativen zum Standortwettbewerb enthalten ist:

Freie Software wird meist nicht direkt aus dem Motiv heraus produziert um Gewinn zu erzielen. Die Motivationen sind unterschiedlich: Spaß am Programmieren, Altruismus oder auch nur um ein bestimmtest Problem zu lösen.

Der Bauplan (Source-Code) der Software ist frei und kann von allen weiterverwendet werden. Er ist im besten Sinne ein „Gemeingut“. Die Verwirklichung der Idee von der Abaschaffung des Privateigentums.

Interessant ist, dass es durchaus viele kommerziell, kapitalistisch orientierte Firmen gibt die Freie Software nicht nur einsetzen sondern auch weiterentwickeln.

Freie Software ist nicht in erster linie „anti-kapitalistisch“ sondern eher „akapitalistisch“.

Kompatibilität mit dem Kapitalismus

Auch wenn Freie Projekte mit der Abschaffung des Privateigentums an Information über den Kapitalismus hinaus weisen, so müssen diese Projekte doch im Hier und Heute entstehen und wachsen können, um ihn schrittweise überwinden zu können. Eine gewisse „Kompatibiltät“ mit dem kapitalistischen System ist als durchaus von Vorteil, sollte aber auch nicht zu weit gehen weil ansonsten die Gefahr besteht, dass die neue Produktionsweise bloß ins System integriert wird.

Firmen fördern Freie Software aus verschiedensten Motiven: um Geld zu sparen oder als Waffe im Konkurrenzkampf. Oft wird Freie Software von Firmen als „Abfallprodukt“ erzeugt: Vor allem dort wo das Geschäftsfeld nicht in der Softwareproduktion liegt, sondern diese nur Mittel zum Zweck ist.

Diese „Kompatibilität mit dem Kapitalismus“ ist jedenfalls eine wichtige Eigenschaft eine Alternativen Ökonomie. So kann diese im Schatten der alten Ökonomie wachsen und diese möglicherweise irgendwann ersetzen.

„Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebensowenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß vielmehr dies Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären. Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind.
— Karl Marx, MEW13:9

Die Tatsache, dass heute kooperative Produktionsweisen besser funktionieren als kommerzielle zeigt, dass die Produktivkräfte heute weit genug entwickelt sind um eine neue Gesellschaftsformation hervor zu bringen. Oder wie es André Gorz ausdrückte:

Der Kapitalismus ist damit in der Entwicklung seiner Produktivkräfte an eine Grenze gestoßen: eine Grenze, jenseits welcher er sich selbst überwinden müsste, um sein Potenzial auszunützen.“ — André Gorz, Die Presse/Spectrum 14.08.2004.

Freie Assoziation Freier Individuen

„An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“Kommunistisches Manifest

Niemand wird gezwungen Freie Software zu entwickeln. Wer mit dem Kurs der Entwicklung den ein Freies Projekt einschlägt nicht zufrieden ist kann jederzeit einen „Fork“ beginnen. Den bestehenden freien Code hernehmen und in eine andere Richtung weiterentwickeln. Das ist oft nicht sinnvoll weil dadurch Potential für Kooperation verloren geht aber jederzeit möglich und es wird auch, wenn nötig, ab und zu gemacht.

Die Produktion Freier Software ist daher ein ideales Bild und Kommunismus (wie er sein soll) zu verdeutlichen.

Ist das Ganze auch auf andere Bereiche übertragbar?

Oft wird spekuliert, dass das Ganze nur im Bereich der Produktion immaterieller Güter funktionieren kann. Tatsächlich zeigt z.B. der Erfolg der Wikipedia, der ebenfalls auf dem Verzicht auf so genannte Geistige Eigentumsrechte basiert, dass es in diesem Bereich offensichtlich leicht ist akapitalistische Produktion zu etablieren.

Was aber meines Erachtens ein der wichtigsten Voraussetzungen ist damit Alternative Produktion funktionieren kann, sind die materiellen Voraussetzungen:

Wir alle müssen für Essen und Miete bezahlen. ProgrammiererInnen haben, dank ihrer von modernen Kapitalilsmus relativ gut bezahlten Fähigkeiten einen gewissen Freiraum. Sie können es sich leisten auch noch unbezahlte Arbeit zu erledigen. Es ist dieser materielle Freiraum der für die Produktion Freier Software nicht unerheblich ist.

Daraus lässt sich ableiten, dass, wenn diese hier so erfolgreiche Produktionsweise auch in anderen Bereichen funktionieren soll, auch andere Menschen entsprechende matrielle Absicherung benötigen. Wir haben hier das zentrale Argument hinter der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen.

Die Existenzgeldforderung verweist im Grunde auf die
Notwendigkeit einer anderen Wirtschaft, auf das Ende des
Geldfetischismus und der Marktgesellschaft. Sie verkündet die
Hinfälligkeit der auf dem brüchigen Arbeitsfundament aufgebauten
politisichen Ökonomie und bereitet gewissermassen auf ihren
Zusammenbruch vor. [..] Die gegenwärtige Existenzgeldforderung hat
folglich mit ihren früheren Formen, die eine sozialstaatliche
Umverteilung der Wertschöpfung verlangten, nicht viel gemeinsam. Die
meisten seiner heutigen Verfechter verweisen auf die Fähigkeiten dieser
Forderung, ein breites Spektrum gesellschaftlicher Kräfte in einer
antikapitalistischen Perspektive zu verbünden. (..) Die Garantie eines
ausreichenden Einkommens soll die wachsende und potenziell
vorherrschende Bedeutung dieser anderen Ökonomie unterstreichen, die
eigentlichen, weder messbaren noch austauschbaren Reichtum schafft.
“ André Gorz, Wissen Wert und Kapital, S.80-S.81

Dass unter dieser Voraussetzung vielfältige Formen alternativer Produktion möglich werden ist leicht einzusehen, unabhängig davon ob es sich um materielle oder immaterielle Produktion handelt. Im übrigen gilt: Mit der zunehmenden Automatisierung nimmt der immaterielle Anteil an der Produktion von materiellen Produkten immer mehr zu. Schätzungen zufolge sind die Hälfte der Kosten eines Autos schon Software Kosten.

Angesichts der Krise

Die aktuelle Krise ist, wie auch eine Krise der Überproduktion. Sinnvoll zur Lösung wäre daher eine radikale Arbeitszeitverkürzung. Diese würde dabei auch den materiellen Freiraum für alternative Ökonomien schaffen und könnte, wie obige Überlegungen zeigen, einen relativ sanften Übergang in eine nicht-kapitalitische Welt ermöglichen anstatt uns in faschistische Barbarei zu stürzen....

Mehr dazu auch am Kongress: solidarische-oekonomie.at

Franz Schäfer, Februar 2009,

P.S.: Artikel Logo: Credits boingboing


| Newsletter | About | Impressum / Kontakt | RSS Feed | SPIP | Copyleft: Alle Artikel und Fotos unter GFDL falls nicht anders angegeben