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Europa hat gewählt

Linke und Grüne Herausforderungen, Piraten und das Zerbrechen der Sozialdemokratie

Mittwoch 10. Juni 2009, von mond

Was als erstes angesichts der EU-Wahl auffällt: Die Ergebnisse werden in Österreich (und scheinbar nicht nur hier) vorwiegend national interpretiert. Was das ganze für die Mehrheitsverhältnisse in der EU bedeutet kommt nur unter „ferner liefen“ vor. Das ist symptomatisch für die kaum vorhandenen Berichterstattung der Medien über die EU-Politik insgesamt.

Laufend werden extrem wichtige Weichenstellungen in der EU getroffen. Anstatt die Bevölkerung von Anfang an (d.h. sobald eine Gesetzesinitative von der Kommsision zum Parlament kommt) detailiert darüber zu informieren wer sie wann und wie wofür einsetzt bekommt man/frau von den meisten Themen wenig bis gar nichts in den Massenmedien zu hören und zu sehen. (Eine löbliche Ausnahme hier stellt die ORF futurezone)

Natürlich kann man/frau sich heute via Internet da und dort entsprechend Informieren. Aber das kostet auch etwas Zeit und die wenigsten haben diese.

Dass also Wahlentscheidungen nicht unbedingt auf rationaler Basis getroffen werden sollte uns nicht verwundern. Wobei dies natürlich auch im Interesse der herrschenden Klasse ist: So lässt es sich sehr bequem Politikwäsche betreiben. Was für die nationale Politik zu heiß ist wird bequem via Brüssel abgewickelt. Falls von den Sauereien die da ablaufen dann irgend etwas bekannt wird kann der entsprechende Groll auf „die böse EU“ abgeleitet werden.

Wir sehen also: Gerade die rechtsextremen und damit nationalistisch orientierten Parteien sind ein extrem wichtiges Element für die Absicherung der neoliberalen Herrschaft. Sie spielen „Blitzableiter“. Anstatt die waren Ursachen für die Probleme zu suchen bieten diese einfache Sündenböcke an ohne an den neoliberalen Dogmen selbst zu rütteln.

Die Auswirkungen der Krise

Die Konservativen gehen EU-weit weitgehend unbeschadet aus der Krise hervor. Angesichts der Verluste der Sozialdemokraten sind sie sogar als einzige große verbleibende Kraft gestärkt. Wie ist das zu erklären? Eine mögliche Antwort: In der Krise suchen die Menschen Halt beim „starken Mann“. Das dürfte auch den Zulauf der rechtsextremen noch etwas in Grenzen gehalten haben. Abgestraft für die Krise wurden dafür die Sozialdemokraten. Nicht zu unrecht denn die haben den neoliberalen Kapitalismus ebenso zu verantworten wie die Konservativen. Offenbar hatten die Sozialdemokraten aber die etwas schlaueren WählerInnen: Die haben den Braten gerochen und sind von ihrer Partei jetzt enttäuscht. Auf der anderen seite: Wer jemals dumm genug war zu meinen dass die Konservativen seine oder ihre Interessen vertritt der ist auch dumm genug das weiterhin zu glauben. (Die 1% Superreichen jetzt mal ausgenommen. Deren Interessen werden ja tatsächlich von diesen so genannten "Volksparteien" vertreten).

So wirklich viel schlauer sind die meisten ex-WählerInnen der Sozialdemokraten allerdings auch nicht. Immerhin sind leider viele zu den rechtsextremen Parteien übergelaufen. Die Linke konnte davon leider nicht profitieren. Immerhin haben aber Grüne und GUE (Linke) zusammen genau so viele Mandate wie zuvor und damit angesichts der geringeren Zahl der Gesamtmandate Europaweit um etwa 7% gewonnen. Zumindest das ist der erfreuliche Teil dieses Wahlergebnisses.

Zerbricht die Sozialdemokratie?

Ein Großteil der Sozialdemokratischen WählerInnen ist den Wahlen offensichtlich fern geblieben. Um diese WählerInnen wird wohl in den kommenden Jahren von verschiedenster seite gekämpft werden. Möglich dass die Sozialdemokratische Partei versucht durch einen sozialeren und kapitalismuskritischeren Kurs diese WählerInnen wieder zurückzugewinnen. Auch möglich dass sie Angesichts des allgemeinen Rechtsrucks auch versuchen weiter nach rechts abzurücken um diese WählerInnenschichten anzusprechen. Vergessen werden darf nicht dass diese Partei ebenso wie die Rechtsparteien zutiefst korrumpiert ist und es daher wohl Kräfte existieren die den neoliberalen Kurs weiterführen wollen und die meinen es müsse nur etwas an der Rhetorik gefeilt werden.

Insgesamt könnte die Sozialdemokratie an diesen Gegensätzen zerbrechen. In jedem Falle ist hier aber Raum für eine neue Linke. Die Linksfraktion hat es aber insegeamt noch nicht geschafft dieses Potential anzusprechen. Kein wunder, ist auch die Performance der Linksfraktion nicht gerade gut. Trotz mehrmalige Anfragen und auch entsprechenden Hilfsangeboten hat es die Linksfraktion z.B. nicht geschafft sich in der wichtigen ACTA Frage mehr zu engagieren. Die Grünen (und insbesondere Eva Lichtenberger) haben hier dagegen Vorbildliches geleistet. Viele der Linksparteien sind leider noch nicht ganz im 21. Jahrhundert angekommen. Wie z.B. auch an der KPÖ zu sehen ist. Hier bedarf es entsprechender Initiativen um diese Lücke zu füllen um den WählerInnen und vor allem den Politischen AktivistInnen eine moderne Linkspartei anbieten zu können.

Früher oder Später werden wohl auch die WählerInnen der Konservativen aufwachen und bemerken dass sie der Neoliberale Kurs an den Rand des Abgrundes gebracht hat oder sogar noch darüber Hinaus. Ob die Krise wirklich überstanden ist ist nicht gesichert. Ebenso möglich wären noch viel tiefgreifendere Erschütterungen. Und früher oder später machen sich wohl auch die vom Kapitalismus sonst noch so verursachten Probleme bemerkbar. Nicht zuletzt steht die Klimakatastrophe vor der Tür.

Hier bedarf es eines Angebotes an die bürgerlichen WählerInnen. Linke Politik die mit bürgerlicher Rhetorik ein Angebot an die, von den Volksparteien losbrechenden WählerInnen. Das wäre eine Aufgabe für die Grünen. Trotz ihrer, z.T. sehr Bürgerlichen Wurzeln machen sie im großen und ganzen eine Durchaus erfreulich linke Politik.

Allerdings ist die breite des Grünen Spektrums beschränkt, das wurde am schlechten Abschneiden der Grünen in Österreich sichtbar: Mit einer zu klar nach Links ausgerichteten Kandidatur haben sie dort ihre bürgerlichen WählerInnen verschreckt. Im erzreaktionären Österreich war das leider zu befürchten. Hier wäre es Hilfreich wenn neben den Grünen eine weitere Politische Kraft vorhanden wäre die sich dezidiert Links positionieren kann ohne auf die Bürgerliche WählerInnen Rücksicht nehmen zu müssen.

Leider ist eine solche Kraft in Österreich nicht vorhanden und so müssen den Grünen dankbar sein, dass sie trotz der Gefahr damit Stimmen zu verlieren, versuchen Linke Inhalte zu transportieren. Nur so ist Veränderung, würden wir uns immer daran orientieren was die kleinformatigen rechten Hetzblätter in Österreich an Politik vorgeben könnte man/frau ja gleich Dichand zum Kaiser krönen. Letztlich ist genau dies die Herausforderung an die Linke:

Die Herausforderungen an die Linke

Linke Alternativen zur kapitalistischen Wirtschaftsordnung müssen glaubhaft vermittelt werden. Neoliberale Denkmuster enttarnt werden. Die Verkürzte Kapitalismuskritik der Rechten und deren Propaganda muss bloßgestellt werden. Nur so ist Veränderung möglich: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Das ist keine leichte Aufgabe aber auch keine so schwere. Immerhin sind die Lügen der Rechten ja meist recht Absurd.

Gerade in Zeiten der Krise müsste die Linke vor allem auch Geborgenheit vermitteln. Das ist einerseits nicht leicht wenn man/frau gerade die Gesellschaft von Grunde auf umkrempeln will. Hier könnte nur eine Rückbesinnung auf eine radikalen Humanismus helfen:

„Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst. [..] Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“
— Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW 1:380

D.h.: der Mensch uns seine Probleme müsste deutlicher erkennbar im Mittelpunkt Linker Politik stehen.

Ein Pirat entert das EU-Parlament

Erfreulich ist der Einzug der Schwedischen Piratenpartei ins EU-Parlament. Allerdings: der Pirat will sich entweder der Grünen oder der Liberalen Fraktion anschließen wenn diese im Gegenzug bei den IT Themen auf Seiten der Piraten stimmt. Für die Grünen sollte das kein Problem sein weil sie hier ohnehin fast immer auf der richtigen Seite waren. Bei den Liberalen ist das allerdings nicht so. Die Linksfraktion wäre da eine bessere Wahl. Dort hat man/frau so wie bei den Grünen fast immer vernünftig abgestimmt. Interessant ist es dann warum die Piraten hier dennoch die Liberalen ins Auge fassen. Auch zeigt sich hier das zentrale Problem einer Single-Issue Partei. Kann es den AnhängerInnen der Piratenpartei wirklich völlig egal sein ob ihr Vertreter bei den meisten Abstimmungen einen Grünenn-Linken oder einen Neoliberalen Kurs fährt?

Besser wäre es hier für die Piraten die Fragestellungen rund um IT, so genannte Geistige Eigentumsrechte, Überwachung etc... zu nutzen um die Probleme unserer Gesellschaft zu hinterfragen. Dann wäre es wohl keine Frage mehr wie die Piraten sich zu anderen Themen in der Gesellschaft zu positionieren hätten. Neoliberal käme dann jedenfalls nicht mehr in Frage.

Für die Linksparteien zeigt sollte der Erfolg der schwedischen Piraten jedoch ebenfalls eine Lehre sein: Mit etwas Pfiff und Witz ist es durchaus leicht Proteststimmen einzufangen ohne in die Populismusfalle tappen zu müssen.

Meint Euer,

Franz Schäfer, Juni 2009

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