Das Wahlergebniss ist leider nicht das was wir uns erwartet und erhofft
hatten. Das hat wohl vielerlei Gründe: Einige externe und einiges was wir
selbst besser hätten machen können. Und dann sollten wir uns auch noch die
Frage stellen wie wir den unseren Erfolg messen, auch in Hinblick darauf wie
es jetzt weitergehen soll.
Dass uns das Magistrat das Aufstellen der Plakatständer untersagt hat ist
ein Skandal und hat uns doch sehr geschadet: Trotz social-media und aller
Verteilaktionen sind Plakate doch oft das einzige was viele der politisch
weniger interessierten von den Parteien zu sehen bekommen. Dass wir nicht
zur ORF Diskussion eingeladen wurden hat uns natürlich ebenfalls geschadet.
Und dann war da der große Faktor: Strache verhindern und darum auf jeden
Fall noch einmal SP (oder Grüne) wählen. Das haben wir auch sehr oft auf der
Straße gehört.
Dass es unter diesen Umständen doch (im Vergleich zum KP Ergebnis von
2010) Zugewinne gab zeigt auch, dass wir auch einiges richtig gemacht haben.
Ein breites linkes Bündnis aus Unabhängigen Linken, KP und PiratInnen ist
notwendig. Bei den Verteilaktionen habe ich das auch sehr oft gehört: Gerade
die Breite und die Kombination machte für viele das Projekt interessant.
Unsere Fehler
Aber es gibt meines Erachtens auch einiges was wir beim nächsten mal besser
machen sollten. Ich sehe vor allem zwei Breiche hier:
1.) Insbesondere haben wir viel zu wenig darauf geachtet aus dem ganzen eine
breite Bewegung (nach dem Vorbild von Podemos) zu machen. Bei jedem
Infostand hätten wir die Leute die wir angesprochen haben, einladen müssen
sich zu Vernetzen und bei uns mitzumachen, etc. Das ist leider viel zu
wenig passiert. Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass vor allem die
beiden Parteien im Bündnis gewisse Vorbehalte gegen den Aufbau
zusätzlicher Infrastruktur außerhalb ihres Parteiapparates zeigten.
Apropos Infrastruktur: Gerade von den PiratInnen hätte ich mir erwartet,
dass hier etwas mehr von ihrer Erfahrung und Infrastruktur (Liquid, Wiki &
Co) zur elektronischen Vernetzung eingebracht würde. Wie auch immer: Wir
müssen sehr stark in diese Richtung arbeiten: Partizipation muss für uns DER
zentrale Wert werden. Immerhin: Der einhellige Tenor am AktivistInnen Treffen
war, dass alle die Zusammenarbeit im Wahlkampf als sehr angenehm empfunden
hatten und dass es Spass gemacht hat. Was nützten auf der anderen Seite alle
technischen und organisatorischen Möglichkeiten der Partizipation, wenn
niemand mehr Bock aufs mitmachen hätte? Insofern würde ich sagen: Wir sind
am richtigen Weg.
2.) Der zweite Fehler war in der inhaltlichen Ausrichtung: Wir waren wieder
einmal viel zu brav und angepasst. Wohl auch in der Hoffnung auf Wahlerfolge
wurde da und dort vermieden bei heiklen Themen an zu ecken. Wichtigstes
Beispiel: Die Dominanz kleinformatiger, rechtsextremer Hetzblätter am
Österreichischen Medienmarkt. Jede/r Linke weiß, dass das eine der
Hauptursachen für den Erfolg von Strache ist, aber die etablierten Parteien
trauen sich das nicht mehr anzusprechen. Die SP füttert diese Hetzblätter
auch noch ganz ordentlich mit Geld für Wahlkampfinserate. Klar: Ein solches
Auftreten hätte uns da und dort vielleicht einiges an negativer
Berichterstattung eingetragen. Aber: Wenn wir als Kraft antreten die es
ANDERS will dann müssen wir ohnehin den Rahmen sprengen den diese
Hetzblätter der bestehenden Politik setzen, oder wir haben schon verloren
bevor wir noch angetreten sind.
Und ich denke, dass sich ein solcher, unbequemer Kurs letztlich auch positiv
auf das Wahlergebnis ausgewirkt hätte: Auch Strache gewinnt die Stimmen der
ProtestwählerInnen damit dass er sich als "outlaw" präsentiert. Ein
Lackmustest für systemverändernde linke Politik muss es sein sich zu
fragen: Was trauen sich die etablierten Parteien nicht mehr auszusprechen?
Wie Weiter?
Zu befürchten ist, dass die Kräfte innerhalb der Piraten und innerhalb der
KP, die diesem Bündnis skeptisch gegenüber standen jetzt Auftrieb bekommen.
Aber zumindest die, im Wahlkampf aktiven Leute empfanden die Zusammenarbeit
sehr angenehm. Insofern sehe ich doch gute Chancen, dass das Wahlbündniss
auch bei kommenden Wahlen wieder aktiv sein wird. Obendrein haben wir ja
jetzt eine Handvoll ANDAS-Bezirksräte mit denen wir die nächsten Jahre
gemeinsam arbeiten wollen.
Schon in den nächsten tagen wird die SP das faschistoide "Staatsschutz"
Gesetz durch winken (das wurde extra auf einen Termin nach der Wahl
verschoben) und viele, die jetzt der SP eine (Leih-)stimme gegeben haben,
werden es dann bereits wieder bereuen. Und danach ein fauler Kompromiss
bezüglich TTIP/TISA, etc, etc, etc.. Wir brauchen eine andere Politik.
Spätestens 2018 (vermutlich aber schon früher) stehen wieder
Nationalratswahlen an. Wir sollten mit dem Aufbau einer Wahlplattform aber
nicht bis kurz vor den Wahlen warten sondern damit schon jetzt beginnen. Die
in Europa-Anders und Wien-Anders geschaffen Plattform ist dazu schon einmal
ein Ausgangspunkt. Aber politische Bewegungen kann man/frau nicht am
Reißbrett entwerfen. Sie formen sich in konkreten Projekten und Kämpfen.
Wie wäre es z.B.: mit einem Medienvolksbegehren, dass die rechtsextremen
Inhalte der kleinformatigen Massenblätter und deren Verfilzung mit der
Parteipolitik thematisiert?
Maßstab unseres Erfolges kann nicht nur darin bestehen wie viele Prozente
wir bei Wahlen erzielen sondern vor allem auch darin wie sehr wir es
schaffen progressive, linke, anti-rassistische Diskurse in der Gesellschaft
zu entfachen.
Obige Überlegungen sind meine persönliche Einschätzung als Aktivist und
nicht offizielle Position von Wien-Anders.
Franz Schäfer (Mond, November 2015)