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Mr.Peel und das Bedingungslose Grundeinkommen

Montag 23. November 2015, von mond

Immer wieder begegnen mir Linke die sich als GegnerInnen des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) deklarieren. Die übliche Argumentation ist: Es ist ihnen zu wenig “revolutionär” oder zu wenig “kommunistisch” weil es, so die Logik der GegnerInnen des BGE, die bestehenden Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmittel nicht angreift.

Einmal abgesehen davon, dass wir um das BGE ohnehin nicht herum kommen werden: Mit der rasant steigenden Produktivkraft in den kommenden Jahren wird ein Großteil der Jobs wegrationalisiert. Nur noch ein sehr kleiner Teil der Menschen wird einer Erwerbsarbeit nachgehen können. Wenn wir uns das BGE etwas genauer ansehen, dann ist die linke Kritik am Grundeinkommen grundsätzlich falsch:

Das bedingungslose Grundeinkommen greift den Kapitalismus direkt an seinem innersten Kern an: Beim Kapitalverhältnis:

Dem privaten Eigentum an den Produktionsmitteln stehen die ArbeiterInnen gegenüber die nichts anderes zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft und die diese verkaufen müssen um zu überleben.

Genau hier greift das BGE: Mit einem Grundeinkommen in ausreichender Höhe sind die Menschen nicht mehr gezwungen jede Arbeit zu jedem Lohn anzunehmen der gerade mal hoch genug ist um das Überleben zu sichern. Ohne den Zwang, sich an den Kapitalisten verkaufen zu müssen, verliert auch das Privateigentum an den Produktionsmitteln den Kapital-Charakter. Sehr schön wird das von Marx im Kapital an Hand der Geschichte von Herrn Peel dargestellt:

Zunächst entdeckte Wakefield in den Kolonien, daß das Eigentum an Geld, Lebensmitteln, Maschinen und andren Produktionsmitteln einen Menschen noch nicht zum Kapitalisten stempelt, wenn die Ergänzung fehlt, der Lohnarbeiter, der andre Mensch, der sich selbst freiwillig zu verkaufen gezwungen ist. Er entdeckte, daß das Kapital nicht eine Sache ist, sondern ein durch Sachen vermitteltes gesellschaftliches Verhältnis zwischen Personen. Herr Peel, jammert er uns vor, nahm Lebensmittel und Produktionsmittel zum Belauf von 50.000 Pfd. St. aus England nach dem Swan River, Neuholland, mit. Herr Peel war so vorsichtig, außerdem 3.000 Personen der arbeitenden Klasse, Männer, Weiber und Kinder mitzubringen. Einmal am Bestimmungsplatz angelangt, "blieb Herr Peel, ohne einen Diener, sein Bett zu machen oder ihm Wasser aus dem Fluß zu schöpfen". Unglücklicher Herr Peel, der alles vorsah, nur nicht den Export der englischen Produktionsverhältnisse nach dem Swan River!

— Karl Marx, Das Kapital, Band I

Das BGE bietet damit die Möglichkeit eines graduellen Überganges in eine post-kapitalistische Gesellschaft. Je mehr Menschen dank der fortschreitenden Automatisierung die Möglichkeit bekommen von einem Grundeinkommen zu leben, desto kleiner werden auch die Spielräume für die Ausbeutung jener die noch im Erwerbsarbeitsprozess sind.

Klar ist natürlich, dass das Kapital seiner eigenen Entmachtung nicht tatenlos zusehen wird. Wie auch schon in den letzten Jahrzehnten zu sehen wird versucht werden der gesteigerte Produktivität mit künstlicher Verknappung zu begegnen. Marx hat das schon sehr schön im Kommunistischen Manifest dargestellt:

In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen. - Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.

Karl Marx/Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei

Je eher wir es also schaffen ein existenzsicherndes bedingungsloses Grundeinkommen zu etablieren und je höher dies ist, desto mehr reduzieren wir den Druck auf das Kapital in Krieg und Zerstörung “expandieren” zu müssen.

Umgekehrt schafft das BGE für viele Menschen einen Freiraum in dem sie produktiv Arbeiten können ohne sich den Verwertungszwängen zu unterwerfen: Kunst und Kultur zu schaffen. Freie Software entwickeln. Wikipedia Artikel zu schreiben, etc, etc..

Irgendwie ist es für mich schwer verständlich wie manche Linke nicht sehen können, dass das Bedingungslose Grundeinkommen enormes emanzipatorisches Potential hat.

Siehe auch: Grundeinkommen - ’’urkommunistisch’’?


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