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Politikwäsche - Policy Laundering

Montag 28. Juli 2008, von mond

Eines der wichtigsten Konzepte moderner Politik hat seit kurzem einen Namen: Politikwäsche (engl. Policy Laundering). Was damit gemeint ist erfahren sie in diesem Artikel

Niemand macht sich gerne unbeliebt. PoltikerInnen am allerwenigsten, denn ihre Beliebtheit bestimmt ihre Chancen auf Wiederwahl ebenso wie ihre Parteiinterne Stellung. Andererseits ist die Politik ein bekanntermaßen schmutziges Geschäft. Politik wird heute zumeist im Interesse von Kapital und Konzernen gemacht und ist damit zumeist den Interessen der Menschen entgegengesetzt. Politikwäsche ist das Mittel mit dem die schmutzige Politik wieder weißgewaschen werden kann.

Der Begriff des Policy Laundering findet sich erstmals in wissenschaftlichen Artikeln von Ian Hosein aus dem Jahre 2004.

„Harmonization is the process through which a common set of policies are established across jurisdictions to remove irregularities. Regulations can change in any direction, however: regulations may be pushed to the lowest common denominator; but may equally benefit from the ’California effect’, where one regulator pushes for the highest standards, setting models for others to follow . Harmonization requires further interrogation, however. In their review of global business regulation, Braithwaite and Drahos find that some countries (notably the U.S. and the UK) push for certain regulatory standards in international bodies and then bring those regulations home under the requirement of harmonization and the guise of multilateralism; this is what we refer to as policy laundering.“ —Hosein, Ian, in International Relations Theories and the Regulation of International Dataflows: Policy Laundering and other International Policy Dynamics

Tough Negotiations For a New Trade Treaty
Comic by Richard Stalman (RMS)

Inzwischen hat der Begriff auch Eingang in zahlreiche NGOs und deren Kampagnen gefunden. Das oben beschriebenen Prinzip ist dabei durchaus Beispielhaft für den Prozess der Politikwäsche: Was daheim nicht durchsetzbar ist wird in (zumeist geheimen) Verhandlungen über internationale Verträge gefordert. Wenn diese Verträge dann abgeschlossen sind wird das Ergebnis des Prozesses so dargestellt als käme es von außen und hätte nichts mit der eigenen Verhandlungsposition zu tun. Es wird behauptet die nachteiligen Bestimmungen seien eben „ein Kompromiss den man insgesamt akzeptieren musste“.

„Gute“ Politikwäsche funktioniert dabei oft mehrstufig. Die nachteiligen Effekte werden nicht direkt eingefordert sondern es werden Rahmenbedinungen geschaffen in denen sich diese mehr oder weniger zwangsläufig einstellen. Beispielhaft dafür sind z.B. die Mechanismen des
Standortwettbewerb. Auch so kann die eigene, schmutzige Politik letztlich als ein rationales reagieren auf äußere, nicht im eigenen Einflussbereich liegende Umstände dargestellt werden.

Das Konzept der Politikwäsche beschränkt sich dabei natürlich nicht auf internationale, große Politik. Auch innerhalb von Unternehmen und Organisationen
wird es „erfolgreich“ betrieben. Es werden Studien in Auftrag gegeben die Politik in eine bestimmte Richtung vorschlagen. Externe Consultants beauftragt. etc.. Passen die Ergebnisse der Studien oder die Vorschläge der Consultants nicht zur gewünschten Politik werden sie geheim gehalten. Auch kleine Organisationen machen des öfteren Kooperationen mit anderen Gruppen. Werden die Kooperationsverhandlungen geheim geführt so kann obige Methode der Politikwäsche auch im kleinen „genutzt“ werden. etc.

Angesichts des komplexen und intransparenten Institutionendickichts in der EU, kann diese zurecht als Waschsalon für schmutzige Politik betrachtet werden. Was die Parteien in ihren jeweiligen Nationalstaaten nicht direkt durchsetzen können, das spielen sie heute bevorzugt über Brüssel. Dass damit das Image der EU insgesamt beschädigt wird von diesen Parteien nicht nur in kauf genommen sondern der daraus resultierende Nationalismus wird bis zu einem gewissen Grad von diesen Parteien auch bewusst geschürt um das Institutiondickicht rechtfertigen zu können. Die Politikwaschmaschine wäscht sich selbst.

Seitens von NGOs müsste es eine zentrale Forderung sein die Politikwäsche entsprechend anzuprangern. Politikwäsche muss als Aushebelung demorkatischer Willensbildung in einem Atemzug mit Korruption und Wahlbetrug genannt werden. In der Verhandlung von internationalen Verträgen muss maximalste Transparenz einefordert werden. Ein Vertrag darf keine Gültigkeit erlangen wenn nicht klar ist von wem, wann und wo welche Bestimmungen und Eingefordert wurden (egal ob sie letztlich in den Vertrag aufgenommen wurden oder nicht) und wer sich für oder gegen diese Ausgesprochen hat.

Selbst solche (maximale) Transparenz bietet keinen hundertprozentigen Schutz gegen Politikwäsche: Immernoch können (z.B. in WTO Verhandlungen) reiche Staaten ärmere in Hinterzimmerdeals wirtschaftlich (und militärisch) unter Druck setzen bestimmte Passagen einzubringen und für diese zu stimmen.

Verträge die ohne diese Transparenz zustande gekommen sind müssen ihre Gültigkeit verlieren.

Interessant ist, dass für dieses Phänomen, das ja bereits mehrere Jahrzehnte unsere Politik prägt erst jetzt ein entsprechender Begriff gefunden wurde. Ohne das Kind beim Namen nennen zu können kann aber auch schlecht dagegen Kampagnisiert werden. PolitikerInnen konnten sich den Kampf gegen die Politikwäsche nicht auf ihre Fahnen heften solange es dafür nicht einmal ein Wort gab.

Heute back ich, morgen brau ich,
übermorgen hohl ich der Frau Königin ihr Kind;
ach, wie gut ist, daß niemand weiß,
daß ich Rumpelstilzchen heiß!

Franz Schäfer, Juli 2008.


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